„Dann habe ich mehr oder weniger den Transfer zum Jahn eingefädelt.“

Erik Thommy spielte für viele Vereine in Deutschland, nun zog es ihn in die Vereinigten Staaten. Hier spricht er über die USA, den Jahn und sein Leben nach der Karriere. (Foto: Martin Rose/Getty Images – Onefootball)

Hallo Herr Thommy, Danke, dass du dir trotz so später Stunde Zeit für uns genommen haben. Wie geht es dir heute?

Bei uns ist es mit der Zeitverschiebung noch Mittag, also nicht ganz zu später Stunde. Ich kam gerade vom Training und das Wetter wird langsam auch schöner, demnach kann ich mich nicht beschweren.

Du lebst aktuell in Kansas, oder?

Aktuell bin ich in Kansas, aber ich wohne in Missouri. Da muss ich einmal über den Fluss rüber – sozusagen 2 Staaten, 1 Verein.

Was steht bei dir heute noch auf dem Plan?

Ich bin seit 10 Uhr vormittags an der Anlage. Wir hatten Training, danach waren wir zusammen im Gym, hatten dort noch eine kleine Einheit und jetzt steht eigentlich nur noch Regeneration auf dem Plan. Massage, Wärmebecken oder sowas in der Art wird es sein.

Wie gefällt dir das Trainingszentrum?

Wir sind hier sehr gut aufgestellt, die Anlage ist sehr neu, da hat man sich einiges überlegt, daher kann man hier definitiv seine Zeit verbringen.

Der Traum vom Leben in den Vereinigten Staaten haben viele Leute, wie gefällt es dir am anderen Ende der Welt?

Ich muss im Vorhinein sagen, dass es ein ganz anderes Leben ist. Das fängt bei der Mentalität an, wie die Leute leben, oder auch vom Klima her, was einen extremen Unterschied darstellt. Gerade hier in Kansas erleben wir eiskalte Winter, wo wir zum Training teilweise sogar zu einem anderen Standort wie die Ost- oder Westküste wechseln, aber dafür ist es auch im Sommer sehr heiß. Das sind alles Umstände, die dazukommen, mit denen man nicht ganz rechnet, aber grundsätzlich gefällt es mir sehr gut.

Was hat dich zum Schritt nach Amerika bewegt?

Wir haben uns viele Gedanken gemacht, da es für mich und meine Frau ein sehr großer Schritt ist. Es war anfangs nie realisierbar, außerhalb von Europa Fußball zu spielen. Die Weiterentwicklung der Liga und die exzellenten Bedingungen, welche teilweise besser sind als in Deutschland, was mich anfangs schon verwundert hat, aber auch andere Gründe haben mich zum Wechsel in die USA bewegt. Bisher bereue ich es nicht. Ganz im Gegenteil, ich lerne viel dazu, auch bei der Sprache, was einem auch für die Zukunft weiterbringen könnte. Am Ende geht es aber immer darum, dass Fußball spielen Spaß macht. Uns gefällt es sehr gut, auch in der Stadt, mit sehr netten Leuten, was auch so ein Punkt ist, den ich nicht erwartet hätte. Es macht Spaß, das ist das Wichtigste.

Vermisst du Deutschland schon ein wenig?

Heimweh in dem Sinne nicht. Klar vermisse ich meine Familie und meine Freunde in erster Linie, manchmal würde ich auch gerne einfach Deutsch reden. Grundsätzlich hat man hier alles, die Leute sind sehr nett und helfen einem, deswegen haben wir uns sehr schnell zurechtgefunden und bis dato gefällt es uns wie gesagt sehr gut. Wir wissen, im Winter ist dann wieder frei, da ist die Möglichkeit gegeben, dass man in die Heimat fliegt. Natürlich werden wir auch von unseren Eltern besucht, von dem her überbrücken wir diese Zeit sehr gut.

Die USA sind auch bekannt für andere Sportarten, was sagt dir da am meisten zu?

Vor meinem Wechsel gab es nur Fußball für mich, aber hier hat sich das schon verändert. NFL mit den Kansas Chiefs, die auch den Super Bowl gewonnen haben, da wächst man dann automatisch rein. Wir Spieler schauen uns das auch sehr gerne an. Und dann schaut man nach links und rechts, auch Basketball ist dabei. Fußball bleibt aber die Nummer 1.

Wie gefällt dir die Atmosphäre in den Stadien?

Es ist was ganz anderes. Das kann man nicht mit Fußball vergleichen, ein völlig anderes Feeling.

Gibt es denn noch andere Sachen, die auf deiner To-do-Liste stehen?

Ich habe es in relativ kurzer Zeit mir relativ viele Städte wie LA oder Miami ansehen können, die typisch für Reisen sind. In den ersten Monaten konnten wir so viele verschiedene und interessante Sachen sehen, aber es gibt noch Sachen wie den National Park, die ich, wenn es sich ausgeht, ansehen möchte. Aufgrund des engen Spielplans, der über das ganze Jahr geht, ist die Zeit sehr knapp. Aber auch bei Auswärtsreisen sieht man natürlich ein paar Dinge.

Wie fühlt man sich als Europäer in der „Randsportart“ Soccer?

Da brauchen wir uns nicht in die Tasche lügen, wenn man Europa raus ist, dann ist der Druck erstmal weg. Ich habe mich vorher nie für die MLS, auch wegen der Zeitverschiebung, interessiert. Das ist mit alles bewusst, aber ich sehe wie sich der Sport und die Liga entwickelt und wie hoch das Niveau ist. Man sieht Transfers wie Eduard Löwen, Roman Bürki oder Gareth Bale, die kommen nicht ohne Grund hierher. Hier ist eine Basis geschaffen worden, weshalb es sich in eine positive Richtung entwickelt. Die Liga wird interessanter, alles wird auf AppleTV übertragen, was es auch spannender macht. Ich möchte meine Leistung bringen, dann steht man auch im Fokus. Eine Rückkehr nach Deutschland ist für mich nie ausgeschlossen, auch aufgrund dieser neuen Scoutingverfahren bleibt man gewissermaßen immer im Blick der Vereine.

Kannst du es aus Spieler-Sicht bestätigen, dass Fußball so enorm größer wird in den Staaten?

Die Nummer eins ist ganz klar NFL, dann kommt die NBA, daraufhin Baseball, Fußball. Die Liga und die Vereine sind relativ neu gegründet worden. St. Louis spielt seit diesem Jahr in der MLS, alles ganz neu, aber dennoch ist eine Fankultur vorhanden. Alles ist innerhalb dieser kurzen Zeit gewachsen, was in Deutschland wesentlich länger dauern würde. Die Stadien werden voller, es wird interessanter und auch in der MLS fließt immer mehr Geld, damit es interessant bleibt.

Die Bedingungen sind also doch besser als erwartet?

Ich kann zwar nur über Kansas City sprechen, aber das ist schon Champions League-Niveau. Es wurde alles durchdacht, die Spieler stehen im Fokus, damit sie am Wochenende bestmöglich performen und auch die Trainingsplätze sind top. Das Stadion ist ganz neu, auch wenn es nicht die Kapazität, wie in Deutschland ist, sondern so im Schnitt zwischen 20.000 – 30.000 Zuschauer. Auch ich wurde überrascht. Es ist auch spannend zu sehen, wie es ist, wenn man wirklich unter diesen idealen Bedingungen spielen kann und wie der Körper reagiert sowie sich die Leistung verändert.

Also schon ein Unterschied zum Jahn damals?

Ja, das war alles alt. Wir hatten nichts, da war nichts da, weil die Mittel fehlten. Auch wenn es der Jahn heute geschafft hat.

Aktuell läuft es nicht ganz so gut für euch, oder?

Letzte Saison hatten wirklich ein sehr gutes Ende, haben eine gute Serie hingelegt. Diese Saison haben wir einige Verletzte, wir waren nie eingespielt und hatten einen sehr schlechten Start erwischt. Das hat uns dann das Genick gebrochen. Nun kommen wir langsam in Fahrt und das Ziel sind die Playoffs. Jetzt haben wir noch einige Spiele, mal schauen was geht, aber wenn wir die Playoffs erreichen, dann ist alles gut. Und dann kann man schauen, was geht.

Also wäre mehr möglich gewesen?

Die Mannschaft ist gut, keine Frage. Aber wir hatten, wie gesagt, viele Verletzte, daher mussten einige auf anderen Positionen spielen. Jetzt haben wir uns gefunden und nun hoffe ich, dass wir die notwendigen Punkte holen, insbesondere hier in Kansas.

Gibt es so eine Art Gruppenbildung der deutschsprachigen Spieler im Team?

Es gibt Gruppen in jeder Mannschaft, das sollte uns klar sein. Kein Team mit 30 Spielern hat keine Gruppen. Umso höher es geht, umso mehr funktionieren die Leute untereinander, dadurch bilden sich dann auch diese Gruppierungen. Natürlich trinkt man mit den Leuten öfters einen Kaffee, weil es einfacher ist, aber das Mannschaftsgefüge ist homogen und das merkt man auch auf dem Platz. Wir haben nur gute Charaktere im Verein, auch aufgrund der Transferpolitik.

Würde dich denn aktuell noch ein anderes Land reizen?

Ich habe mit der Zeit aufgehört, in die Glaskugel zu schauen und mir Gedanken über meine kurzfristige Zukunft zu machen. Es lief immer anders. Deshalb sind und bleiben die Top-Ligen immer interessant, aber das Gefühl muss passen. Aber ich würde nichts konkret favorisieren, aber Deutschland würde ich natürlich nie ausschließen.

Verfolgst du denn noch den deutschen Fußball?

Ich muss zugestehen, dass ich es natürlich nicht sein lassen kann. Ich verfolge den deutschen Fußball, auch den Jahn. Manchmal schaue ich auch Spiele, aber teilweise geht es natürlich aufgrund der Zeitverschiebung eher weniger. Wenn es zeitlich passt, dann gucke ich die Spiele natürlich. Ich habe auch sehr gelitten, da mir der Verein, obwohl ich nur ein Jahr dort war, sehr am Herzen liegt. Es schmerzt, wie es gelaufen ist und in welche Richtung es geht.

Jetzt endlich zum geilsten Verein der Welt – welche Rolle hat der Jahn im Nachhinein für dich gespielt?

Ich habe meinen Durchbruch dort geschafft, es war für mich persönlich sehr wichtig. Mit Christian Keller sowie mit Heiko Herrlich habe ich damals sehr gute Gespräche geführt. Ich bin damals nicht mit der Intention nach Regensburg gefahren, um zum Jahn zu wechseln, da anderes eigentlich interessanter war, aber die beiden haben es innerhalb einer Stunde geschafft, mir so ein gutes Gefühl gegeben, damit ich zum SSV Jahn wechseln wollte. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir hatten so eine geile Zeit, mit dem Relegationsspiel in München als Höhepunkt. Man hätte es sich nicht schöner ausmalen können, ich habe jedes Spiel gemacht und habe einen riesigen Schritt in der Entwicklung genommen. Es war eine Initialzündung, ich denke gerne in diese Zeit zurück.

Wie war denn die weitere Zeit unter Heiko Herrlich und Christian Keller?

Christian Keller hat eine unglaubliche Arbeit geleistet. Die Entwicklung, die Trainingsbedingungen, das Stadion, da kann man nur den Hut vor ziehen. Mit seiner bodenständigen Art hat unglaublich viel erreicht und wir stehen weiterhin im Austausch. Heiko Herrlich hat immer Feuer gegeben, er wollte immer, dass wir das Maximum aus uns herausholen. Er hat uns immer einen eindeutigen Plan vorgelegt und beide brachten diese Bodenständigkeit mit. Wir hatten nie das Gefühl, dass wir was Besseres sind. Ohne die beiden hätten wir es nicht geschafft, da muss jeder dankbar sein.

Welcher Trainer hat dir in deiner Karriere den positivsten Einfluss gegeben?

Heiko Herrlich, da musste ich mich beweisen, der hat mir einiges mitgeben. Einige Trainer, aber auch Co-Trainer, haben mir einiges gelehrt. Ilija Aracic unter Tyafun Korkut war sensationell. Oder auch Friedhelm Funkel ist ein Trainer, der sein Herz am rechten Fleck hat. Bei Pellegrino Matarazzo habe ich nicht so viel gespielt, aber dennoch inhaltlich wirklich sehr gut.

Stehst du auch mit anderen aus dieser Zeit in Kontakt?

Ich freue mich sehr, wenn ich jemanden sehe, aber da ich bei vielen Vereinen gespielt habe, verfließt das auch irgendwann. Man ist in dieser Blase drin und schreibt zwischendurch mit ein paar Leuten, also schon noch teilweise.

Würdest du anderen Spielern empfehlen, dass sie zum SSV Jahn wechseln?

Ja, wenn wir über Alex Meyer sprechen, der hatte drei richtig gute Jahre in Regensburg und hat einen richtig guten Weg eingeschlagenen. Wir waren damals beim Kaffeetrinken, sein Vertrag lief aus, dann habe ich mehr oder weniger den Transfer zum Jahn eingefädelt. Ich würde es dementsprechend jeden empfehlen, da es ein bodenständiger Verein ist und auch mittlerweile mit sehr guten Bedingungen.

Nach der Karriere dann eher ins Management oder in den Trainerbereich?

Ich könnte mir beides vorstellen. Ich finde Trainer grundsätzlich interessant, aber ich habe noch ein paar Jahre Zeit. Ausschließen würde ich aber nichts.

Wie blickst du auf die aktuelle Lage beim Jahn?

Ich habe es vorhin gesagt, ich kann es nur von Außen betrachten. Es ist sehr bitter, alle müssen sich wahrscheinlich erstmal schütteln. Nach der Hinrunde, war diese große Negativserie dann doch irgendwie überraschend. Der Verein muss und wird sich neu aufstellen, vielleicht in der Sommerpause Klarheit schaffen. Mit einem neuen Kader kann man in der 3. Liga angreifen, damit man zeigt, dass es ein Ausrutscher war. Man muss dem Verein Zeit geben, es ist und war viel Unruhe, was nicht typisch ist für den Verein. Man sollte den Druck herausnehmen, da ein Wiederaufstieg in dieser Liga kein Zuckerschlecken ist.

Dein Team sowie auch die Jahnelf hatten große Probleme mit Verletzungen – wie blickst du auf das?

Man sieht es auch bei den Bayern: hast du keinen Lewandowski im Sturm, fehlt ein Neuer und noch ein paar andere Spieler, dann ist der FC Bayern auch nicht mehr der FC Bayern. So trifft es jeden Verein. Es sind kleine Stellschrauben, die dann über Sieg und Niederlage entscheiden, gerade wenn die Qualität so enorm ist. Man kann als Spieler oft nichts machen, man fühlt sich machtlos, diese bittere Pille musste auch der Jahn schlucken.

Wenn es sich jemals wieder ergeben würde, wäre es eine Option zurückzukehren?

Ich würde Regensburg nie kategorisch ausschließen. Der Verein hat mir so viel gegeben, ich hoffe, ich konnte es zum Teil wieder zurückgeben. Ich glaube fest daran, dass er sich neu aufstellen und wieder neu in der 3. Liga attackieren. Vielleicht nicht nächstes Jahr, aber langfristig gehört der Verein wieder in die 2. Bundesliga. Dann ist es natürlich eine attraktive Anlaufstelle. Man weiß nie was kommt, ich möchte sehr gerne auch nach der Karriere im Geschäft aktiv bleiben, also würde ich auch so nicht ausschließen.

Danke für deine Zeit!

Interview: Thomas Süß, Text: Maximilian Aichinger