0:0 gegen Aue: Fehlende Durchschlagskraft und starkes Pressing

Der SSV Jahn und Erzgebirge Aue trennten sich am Samstag 0:0. Nachdem Aue den Jahn fast das ganze Spiel am Spielaufbau stören konnte, fand man keine nachhaltigen Lösungen gegen das Pressing. Wie kam es dazu? (Foto: Gatzka)

Vorgeplänkel

Was tauscht Joe Enochs gegen Wismut Aue? Das fragten sich wohl alle Fans vor der Partie. Mit Blick auf die Aufstellung fiel einem eine Überraschung auf: Jonas Bauer rückte für Niclas Anspach in die Startaufstellung. Ansonsten blieb die Elf im Vergleich zur 3:6-Niederlage in Sandhausen unverändert. Auf dem Papier entstand so ein 4-1-1-3-1, wo Rasim Bulic vor Andreas Geipl auflief. Gegen den Ball schob Bulic noch weiter nach vorne, während Christian Viet in die Sturmspitze rückte.

Pavel Dotchev musste auf zwei Positionen tauschen. Der noch im 2:1-Derbysieg gegen Dresden glänzende Danhof fehlte wie Sijaric aufgrund einer Gelbsperre, für sie rückten Schädlich und Seitz in die Mannschaft. Wismut setzte nominell auf ein 4-2-3-1, wobei es sich mit dem Ball in ein 3-1-4-2 entwickelte.

1. Halbzeit: Nahezu perfektes Umschaltspiel

Obwohl vor eingenen Publikum spielend, agierte der SSV Jahn in der Anfangsphase vor allem mit Fokus gegen den Ball. Aue versuchte das Spiel zu kontrollieren und baute über die breite Innenverteidigung auf. Regensburg konnte das Momentum mittels einer aggressiven Zweikampfführung an sich reißen, was zu einigen Ballgewinnen und Umschaltsituationen führte.

So auch in der 7. Minute, nach einem Abschlag von Alexander Weidinger kam es zu mehreren Kopfbällen durch Lila-Weiße, am Ende eroberte aber Rasim Bulic den Ball, konnte schnell umschalten und den Ball zu Noah Ganaus bringen. Dieser verlagerte das Spiel nach Außen auf Konni Faber, welcher aber nicht zur Flanke kam. Rund zwei Minuten später war es erneut Bulic, welcher den Ball abfangen konnte und über Geipl einen vertikalen Pass zu Ganaus spielte, der sofort den Lauf hinter die Kette setzte, aber die mögliche 3:1-Überzahlsituation endete nur in einer Ecke, nachdem der Pass ins Zentrum geklärt wurde.

Ein ähnliches Bild zeichnete sich in Spielminute 15 ab: Louis Breunig rückte für einen langen Ball aggressiv heraus, eroberte den Ball und schickte Kother hinter die Kette, aber auch hier wurde die Hereingabe abgewehrt. Diese Situationen sind kein Zufall, denn das schnelle Umschalten nach einem Ballgewinn durch einen intensiven Zweikampf zeichnet die Mannschaft aus, genau das wird antizipiert. Am Ende scheiterte es gerade in dieser Phase meist am letzten Pass oder am Abschluss.

Die Probleme im strukturierten Ballbesitz

Um einen Ballgewinn erzielen zu können, muss aber der Gegner den Ballbesitz verzeichnen. Dies zeigt auch eine gewisse Krux, die dieser Stil hat, denn die gefühlte Spielkontrolle liegt nie bei dir und auch mental kann es etwas mit einem Team machen, wenn du stets im Reagier-Modus bist. Meiner Meinung nach konnte man dies auch gegen Aue bemängeln, so hatte man eigentlich in den 90 Minuten nicht wenige Male das Gefühl, dass das Momentum eher auf Seiten des Gegners liegt. Wieso? Man konnte im strukturierten Ballbesitz keine Lösungen gegen das mannorientierte sowie sehr auf den Ball schiebende Pressing finden – so wählte man oft den langen Ball. Das Ziel war wohl auch, dass man dann ins Gegenpressing geht und so mittels Umschaltspiel den Gegner überrennen kann.

Im Laufe der Saison zeigte sich Wismut Aue nach Ballverlust oft anfällig, da man eben sehr viele Spieler im letzten Drittel für das hohe Anlaufen benötigt. Lange Bälle können eine Waffe sein, aber man kann diese Waffe auch sehr schnell gegen sich selbst richten, denn oft entstand eine gewisse Zweiteilung des Teams, was die Anbindung des Mittelfelds kappte. Dazu kann sich ein Gegner sehr gut und lange auf den langen Ball einstellen, auch die Präzision ist ein Thema. Es kann zwar immer wieder ein Mittel sein, in der Offensive durch Tiefenläufe lange Bälle zu fordern, um den Gegner auseinanderzuziehen, doch zieht man sich selbst zu weit auseinander, wird man anfällig bei Ballverlusten – die gerade bei langen Bällen und Pässen nicht unüblich sind. Dieses Verhalten kann durchaus ein Anzeichen von fehlenden Strukturen oder fehlenden Automatismen sein. Oder noch schlimmer: Es sind „falsche“ Automatismen.

Was würde ich mir wünschen? Dass man mehr Mut zeigt, vielleicht noch mehr Intensität. Das Freilaufverhalten von den Außenverteidigern sowie den zentralen Mittelfeldspielern wirkt oft zu statisch, man läuft erst, wenn man den Ball bekommen kann – dadurch öffnet man aber keine Passwege für andere Spieler, wie soll man so aufbauen?

Zurück zum Spielgeschehen: In der 22. Minute schlug Andi Geipl eine Ecke auf den kurzen Pfosten auf Viet, der fast Kother fand, aber Schikora klärte. Eine Variante, welche man in der Partie mehrmals beobachten konnte und auch sehr gefährlich war. Kurz darauf funktionierte das Spiel über einen langen Ball, Kother empfing die Kugel von Faber, der sofort nachrückte und ihn so auf dem Flügel wieder erhielt. Seine Flanke verwerte Ganaus gut, aber Martin Männel parierte dann doch problemlos. Die Boxbesetzung ermöglichte in dieser Situation erst die Chance. So befanden sich fünf Jahnspieler in der Box, selbst der ballferne Außenverteidiger Benedikt Saller rückte hinein – dadurch vergaß Aue den aus der Tiefe gestarteten Faber, welcher dann ohne Bedrängnis geflankt hatte.

Kurz darauf presste der Jahn wieder hoch und minimierte die Anspielstationen für Barylla, welcher hoch zurück zu Männel spielte, der dann mit dem Kopf über das Tor parieren musste. Eine Situation, die wahrscheinlich in 9 von 10 Fällen in das eigene Tor geht, aus der Sicht des Jahn sollte es aber wohl an diesem Tag einfach nicht sein. Denn auch die darauffolgende Ecke wurde gefährlich, nachdem Saller im Rückraum lauerte und nicht gedeckt wurde. Sein Schuss wurde aber im 5-Meter-Raum geblockt. Man hatte im Vorfeld wohl auch das analysiert und so die Box bei Ecken sehr hoch besetzt, um den Rückraum zu öffnen. Die nächste Ecke wurde wieder auf den kurzen Pfosten geschlagen, wurde weggeköpft und landete erneut im Rückraum, wo Saller den in die Tiefe gestarteten Ganaus fand, welcher solide ins Tor einschob. Der Stürmer stand allerdings leicht im Abseits, weswegen der Treffer nicht zählte.

Aber weiterhin wirkte in dieser Phase Erzgebirge Aue etwas aktiver und baute weiter auf, lediglich das Spiel im letzten Drittel war ausbaufähig, da der SSV Jahn in allen wichtigen Zweikämpfen da war. Gerade Geipl kann man hier wieder hervorheben, er vereitelte einige Vorstöße früh.

Dieses Problem hatte aber auch die Jahnelf weiter, der Anschluss vom ersten in das zweite Drittel wirkte wie nicht vorhanden, so ließ sich Christian Viet immer wieder zwischen die Linien zurückfallen, wo er aber so schnell attackiert wurde, dass er als Nadelspieler keine Nadelstiche setzen konnte. So auch in Minute 40, wodurch ein gefährlicher Konter des Gegners entstand, der durch ein Foul gestoppt worden musste.

Es fehlte so auf beiden Seiten die letzte Durchschlagskraft und Kreativität, wobei Chancen und Ansätze durchaus erkennbar waren. So ging es mit einem 0:0 in die Halbzeitpause.

2. Halbzeit: Erst furios, dann abflachend

Nach dem Pausentee wurde es direkt nach dem Anstoß brenzlig. Nachdem der Jahn einen langen Ball forcierte und das darauf folgende Kopfballduell verlor, lief man plötzlich in einen Konter. Stefaniak eroberte den Ball und passte zu Pepic, welcher dann Bär auf dem Flügel einsetzen konnte, da Saller wegen des lang ausgeführten Anstoßes aufgerückt war. Bärs Flanke zu Seitz wurde allerdings von Weidinger bzw. Breunig geklärt. Da der zweite Ball wieder den Auern gehörte, wurde es direkt wieder durch eine Hereingabe von Jakob gefährlich, die aber zum Glück durchrutschte. Wie Joe vor einigen Wochen gefordert hatte, muss in diesen Situationen der Ball einfach besser geklärt werden oder man in den strukturierten Ballbesitz kommen, um darüber Stabilität zu gelangen.

In der 48. Minute kam erneut über die Flügel Gefahr. Nachdem Saller das Duell gegen Tashchy verloren hatte, konnte jener gefährlich in die Box flanken, wo aber Weidinger den Ball sicher halten konnte. In dieser Szene kam Bene Saller nicht in den direkten Zweikampf, weswegen es gefährlich würde. Was sind die Gründe hierfür? Aue steht extrem breit, diese Breite können die Außenverteidiger nicht mitgehen, da sonst die Räume zwischen den Spieler in der Kette zu groß werden. Dieser Grat ist immer etwas schmal: Wann gehe ich aus dem Konstrukt heraus, wann suche ich den Zweikampf, wann kann ich verzögern? Man sieht, es geht sehr viel um das „wann“ und genau das war hier der Punkt, Bene reagierte zu langsam. In anderen Situationen war auch auffällig, dass Stefaniak mit seiner technischen Klasse dies mehrmals ausgenutzt hatte und es so zu mehreren Chancen kam.

Nach der anfänglichen Unruhephase flachte das Spiel aber zunehmend ab – technische Fehler und Fehlpässe steigerten sich und der vorletzte oder der letzte Pass fehlten oft in den Angriffen. Wieso das? Der Jahn agierte im Pressing heute mit etwas weniger Intensität in der ersten Linie, dafür sollte die zweite Linie dann direkt Drück ausüben. Erste Linie, zweite Linie… was redet der schon wieder, fragen sich nun einige. Nun, die erste Linie bestand aus Viet und Ganaus, welche die Innenverteidiger sowie Männel anlaufen sollten, die zweite Linie bestand aus Bulic, Bauer sowie Kother, welche die Außenverteidiger bzw. den Sechser anlaufen sollten. So forcierte man den Pass mittels der ersten Linie auf eine Seite, wo dann Bauer oder Kother aggressiv den Zweikampf suchten. Besonders Bauer muss man hier hervorheben – wer in seinem ersten Einsatz sofort diese Stärke gegen den Ball und im Pressing zeigt, der passt nicht nur zur Philosophie, der ist auch gemacht dafür. Das erklärt auch, warum Aue oft der vorletzte Pass fehlte, der vom Außenverteidiger hinter die Kette forciert wurde. Eben diesen wollte der Jahn unterbinden.

Probleme gab es nur, wenn der Sechser, also der Gegenspieler von Bulic, zwischen die Innenverteidiger abkippte, denn dann musste er sich entscheiden, ob er weiter nach vorne rückt oder ob er bei seiner Position bleibt. Dies sorgte temporär für Probleme, wurde aber dann gut gelöst, indem Viet und Ganaus auch das Anlaufen für diesen Spieler übernommen haben.

So richtig vor dem Tor zeigten sich die Schachter erst wieder in Minute 68. Ein langer Ball durch Majetschak wurde immer länger und länger, ehe ihn Bär annahm und abschloss, aber der Ball vorbeiging. Eine unglückliche Situation, aber auch eine, die zeigt, dass ein schnelles Herausrücken durchaus gefährlich sein kann, wenn nur ein Spieler schläft. Ein Spieler wie Bär nutzt diese Situationen normalerweise aus, glücklicherweise nicht hier.

In dieser Phase konnte sich der Jahn auch zunehmend aus dem Pressing von Aue lösen, da Aue sein System etwas änderte und tiefer anlief. Dadurch konnte der Jahn über die Außenverteidiger mehrmals hinter die Kette kommen oder die eigene Schnelligkeit ausspielen, so auch in der 74. Spielminute. Nachdem Ballas hoch aufgebaut und Konni in die Tiefe geschickt hatte, konnte dieser flach in den Fünfer flanken, wo aber erneut ein Schachter einen Fuß dazwischen bekam. Auch die daraus resultierende Ecke wurde gefährlich, aber Männel parierte den Kopfball von Bulic. Später stieg auch Ganaus am 11-Meter-Punkt hoch, der Kopfball ging aber über das Tor.

Dass aber auch Erzgebirge Aue Ecken kann, zeigten sie kurz zuvor in der 76. Minute. Bär konnte den Ball aus dem Rückraum via Volley auf das Tor feuern, aber Weidinger griff hervorragend über und sicherte das 0:0. Bei Ecken positionieren sich die kopfballstärkeren Spieler wie Ballas oder Bulic an den kritischen Positionen (Kurzes Eck, auf der 5-Meter-Linie). Den Rest seiner Spieler verteilt man auf die Gegner, schafft also Manndeckungen. Der eine Vorteil besteht darin, dass die gefährlichen Zonen mehrfach besetzt werden können und Angreifer erst einmal an Spielern vorbei kommen müssen und dann immer noch ein Zugriff des Gegners durch die Raumdecker besteht. Problematisch wird es nur, wenn die Manndecker ihren Mann aus den Augen verlieren – wie hier Faber Bär. Dann entsteht Chaos.

Am Ende rückten beide Mannschaften nochmal höher auf und verteidigten in einem tieferen Block, gleichzeitig stellte man die Passwege zu, weswegen es zu keinen nennswerten offensiven Aktionen mehr kam. Elias Huth traf in der 89. Minute zwar nach einem hohen Ball aus dem zweiten Drittel und der Ablage von Mustafa zwar per Volley in das linke Eck, aber der Linienrichter hob seine Fahne. Nach der Einsicht der Bilder kann man wohl sagen, dass Mustafa nicht im Abseits stand.

In einer über weite Strecken chancenarmen Partie hatte der Jahn schlussendlich die besseren Chancen – auch weil man die richtigen Anpassungen vornahm. Die Schachter agierten zwar stets gefährlich, verpassten es aber, dann sich auf die Gegebenheiten der Begegnung einzustellen.

MVP des Spieltags: Jonas Bauer/Alex Weidinger

Autor: Kittenkurmler

Normalerweise ist ein Torschütze oder einer, der diese verhindert, ein sicherer Kandidat auf den Titel des Jahn-MVP.

In dieser Saison stand mit Jonas Bauer hingegen ein eigener Nachwuchsspieler der Jahnschmiede in der Startelf der Profimannschaft. Wohl aufgrund einiger Jokereinsätze und der fehlenden Erfahrung, war für ihn nach gut 70 Minuten Schluss. Für sein erstes längeres Profispiel verdient seine Leistung allerdings allen nötigen Respekt.

Ebenfalls hielt der Schlussmann unserer Jahnelf den Punkt, vor allem mit einer Glanzparade in der 76. Minute, fest. Allerdings zeigte er im Laufe der Partie Schwächen mit dem Ball am Fuß und in der Strafraumbeherrschung, auf der Linie zeigte er sich solide und das war in seinen Einsätzen wichtig. In Anbetracht der baldigen Rückkehr von Felix Gebhardt, war Alex sicherlich kein perfekter, aber ein guter Ersatz der sofort die Lücke geschlossen hatte.

Enttäuschung des Spieltags: Bene Saller

An dieser Stelle könnte man sicher auch Kother oder Faber nennen, die für vergleichsweise wenig verwertbare Torchancen sorgten, entgegen dem Gewohnten.

Bei Bene hingegen viel auf, dass er noch weniger lange Bälle festmachen konnte, als sonst. Wohl geprägt durch die Unsicherheiten der letzten Wochen, konnte er Stefaniak erst ab dessen gelber Karte unter Kontrolle bringen. Durch unnötige Ballverluste, auch durch Vorbeiköpfen, kam Aue mehrmals zu Torgelegenheiten, die diese nicht verwerten konnten. Daher steht er für mich als Enttäuschung in dieser Partie da.

Statistiken zum Spiel

StatistikSSVAue
Ballbesitz44%56%
Torschüsse13
Schüsse – daneben43
Fouls1211
Abseits90
Ecken1110

Die Stimmen zum Spiel: „Wir nehmen den Punkt auf alle Fälle mit“

Florian Ballas zum Unentschieden: „Wir wussten, dass dies ein Gegner ist, der gerade mit Martin Männel im Tor und somit einen Überzahlspieler, im Ballbesitz sehr gut ist. Für uns war es wichtig, dass wir im Vergleich zur letzten Partie unsere Tugenden, die uns in der Hinrunde stark gemacht haben, wieder gezeigt haben und jeder für jeden da war. (…) nach vorne war es etwas zerfahren, aber auch Aue hatte nicht so viel Möglichkeiten. (…) unsere Tore werden wir machen, wir sollten wieder möglichst wenige Gegentore bekommen, das war heute der erste Schritt.“

Jonas Bauer zu seinem Debüt: „Ich habe es gestern im Abschlusstraining erfahren, habe mich gefreut (…) natürlich war ich ein bisschen nervös, gerade weil es so kurzfristig war und nicht damit gerechnet habe, aber die Vorfreude überwiegt natürlich. (…) mit dem Ball wäre gerade zum Tor hin für mich mehr gegangen, aber defensiv haben wir uns alle in jeden Ball reingeworfen.“

Andreas Geipl zur Defensive: „Wir haben in den letzten drei Spielen neun Gegentore bekommen, das ist einfach nicht unser Anspruch und eindeutig zu viel. (…) das sind nicht wir, daher war es unser Anspruch, auch in der Arbeit in der Woche, dass wir die Null halten. Das haben wir gut gemacht, vielleicht geht vorne normal einer rein, manchmal aber eben auch nicht, wir nehmen den Punkt auf alle Fälle mit und da sind wir gerade nach den beiden Niederlagen zufrieden.“