Nachbericht: Das Fiasko vom Hardtwald

Was war das bitteschön für ein Spiel? Der SSV Jahn verliert nach einer 3:0-Führung noch 3:6 beim SV Sandhausen und muss dringend an seiner defensiven Stabilität arbeiten. (Foto: Andreas Schlichter/Getty Images)

1. Halbzeit: Furios begonnen, furios nachgelassen

Der SSV startete furios in die Partie. Drei Standards bedeuteten nach zwölf Minuten eine scheinbar komfortable 3:0-Führung. Nach zweimal Geipl-Freistoß und einmal Anspach-Ecke trafen Ganaus (3.), Viet (8.) und Kother (11.). So effizient sich der Jahn gab, so hanebüchen verteidigte Sandhausen, das gar nicht ins Spiel zu finden schien.

Doch auch der Jahn verteidigte inkonsequent. Im direkten Gegenzug nach dem 0:3 senkte sich eine Flanke von Zander, der kaum angegangen wurde, auf Greil. Dessen Kopfball-Bogenlampe schlug im langen Eck ein (13.). Und auch die nächste Situation des SVS saß: Wieder Ecke, wieder Kopfball, diesmal Ben Balla 2:3 (15.). Fünf Standards, fünf Chancen, fünf Treffer das hatte man selten gesehen.

Die Schlagzahl konnten beide Teams freilich nicht halten. Dennoch war binnen zwei Minuten die komfortable Jahn-Führung dahin. “Dann sieht man, dass die Mannschaft so ein bisschen nachdenkt”, sagte Jahn-Cheftrainer Joe Enochs nach dem Spiel auf der Pressekonferenz. “Wir haben nach dem 3:0 weniger gemacht, als man machen muss, um so eine gute Mannschaft vom Tor wegzuhalten”, erklärte er sich den Einbruch.

Sandhausen erspielte sich in der Folge Oberwasser durch geschickte Direktkombinationen im Dreieck und Seitenverlagerungen. Vor allem über die linke Jahnseite machten Ehlich und Zander mächtig Betrieb. Über diese fiel dann auch der Ausgleich: Nach einer Flanke hatte Burcu viel zu viel Platz und schloss trocken ins linke Eck ab (38.). Vor der Flanke wurde Dome Kother wohl regelwidrig zu Fall gebracht, wie Enochs und Andi Geipl nach dem Spiel anmerkten, doch ein Pfiff blieb aus. “Das ist nicht der Grund, wieso wir verloren haben”, räumte Enochs nach dem Spiel ein. Der Jahn musste sich gerade so noch mit dem Unentschieden in die Pause retten.

2. Halbzeit: Eigene Fehler besiegeln die Kanter-Niederlage

Zur Halbzeit stellte Joe Enochs um: Für die in der ersten Hälfte gelbverwarnten Anspach und Bulic kamen Huth und Ziegele. Die Grundordnung sah fortan so aus: Ziegele, Ballas und Breunig bildeten eine Dreierkette, Viet rückte neben Geipl vor die Abwehrkette. Saller und Faber fungierten als Schienenspieler, während Kother auf die Zehner-Position rückte und Huth mit Ganaus eine Doppelspitze bildete.

Das sah zunächst ganz gut aus, der Jahn hatte wesentlich mehr vom Spiel als in den letzten 30 Minuten der zweiten Hälfte. Saller hatte eine große Chance von der Sechzehnerkante, doch sein Schuss senkte sich knapp übers Kreuzeck (54.). Doch gerade als man am Drücker war, machte sich der Jahn mit einem eigenen Fehler wieder das Leben schwer, diesmal Keeper Alex Weidinger. Völlig unbedrängt spielte er direkt in den Lauf von Greil, der technisch anspruchsvoll direkt ins Tor verwandelte (58.). Ein weiterer psychologischer Nackenschlag.

Der Jahn steckte nicht auf und kam durch einen abgewehrten Schuss von Faber aufs kurze Eck (64.) und Huth, der einen Flugkopfball nicht verwerten konnte (65.), zu weiteren Topchancen. Besser machte es aber der SVS. Ehlich, der wieder kaum angegangen wurde, weil Saller zu weit aufgerückt war, brachte eine perfekt getimte Hereingabe an den zweiten Pfosten zu Burcu. Der hatte keine Probleme, aus wenigen Metern zu seinem zweiten Tor des Tages zu vollenden (68.). “Dann geht wieder das Denken los”, war der Enochs-Kommentar dazu.

Mit dem 3:5 war dem Jahn der Zahn gezogen. Weitere Wechsel auf beiden Seiten verwässerten den Spielfluss, für den Jahn kamen Eisenhuth für Kother, Hein für Saller und Mustafa für Ganaus (73.). Eisenhuth reihte sich neben Geipl ein, für ihn rückte Viet wieder auf die Zehner-Position. Ein unstrittiger Elfer setzte schließlich den Schlusspunkt: Eisenhuth legte Otto im Strafraum, der verwandelte souverän (81.). Sandhausen stand in der zweiten Hälfte weitgehend sicher, stellte den Jahn defensiv vor Probleme, profitierte aber vor allem von eigenen Fehlern der Jahnelf.

Was bleibt vom Spiel?

Nach Spielende hingen die Köpfe. So eine Niederlage muss man erstmal verdauen, die zweite Pleite in Folge und damit die erste große Leistungsdelle des Jahn in dieser Saison. Nicht nur der Verlauf des Spiels, auch die Art und Weise der Gegentore geben zu denken. Insgesamt kassierte der Jahn nun neun Gegentore in zwei Spielen. Das Trainerteam hat einiges an Arbeit vor sich, um vor allem die defensive Stabilität, die den Jahn über weite Strecken der Saison ausgezeichnet hat, wiederherzustellen.

Chef-Trainer Joe Enochs sagte nach dem Spiel: “Es ist extrem bitter. Wir wissen, dass Sandhausen eine sehr, sehr gute Mannschaft hat. Deswegen waren wir gewarnt. Wir haben immer von uns gesagt, wir bleiben demütig. Die Position, die wir uns erarbeitet haben, ist richtig gut, aber nicht selbstverständlich. Wir müssen jeden Tag an unsere Leistungsgrenze gehen, wenn wir solche Spiele für uns entscheiden wollen. Das war heute nicht der Fall. Wir müssen wieder zu unseren Basics kommen. Wenn wir das tun, können wir gegen jede Mannschaft der Liga gewinnen wenn nicht, können wir gegen jede Mannschaft aus dieser Liga verlieren.”

Aufgrund des kollektiven Einbruchs ab Minute zwölf will ich keinen MVP / keine Enttäuschung des Spiels im Nachbericht nennen. Zu viele im Team blieben unter ihrer Normalform. Vielmehr hoffe ich, dass sich das Team an die Hinrunde erinnert. Nach einer Niederlage gegen Sandhausen setzte die Jahnelf zu einer Siegesserie an, die das Team in der Tabelle nach oben katapultierte. Es ist nicht das erste Mal, dass der Jahn sechs Tore kassiert. Ich hoffe inständig, dass die Niederlage in Sandhausen dem 0:6 in Bielefeld vom Februar 2020 entspricht, das der SSV einigermaßen gut wegsteckte, und nicht dem 0:6 gegen Karlsruhe im August 2022, das den Jahn in einen Negativstrudel riss, aus dem man sich bis zuletzt nicht befreien konnte.

Die Stimmen zum Spiel

Florian Ballas über die Niederlage: “Ich persönlich habe so etwas auch noch nicht erlebt. (…) Das, was uns die Wochen vorher stark gemacht hat – kollektiv zu verteidigen, Meter mehr zu machen als der Gegner – ist uns nicht gelungen. Darauf müssen wir unter der Woche den Fokus legen, dass wir am Wochenende ein anderes Gesicht zeigen.”

Andi Geipl auf Erklärungssuche: “Mit der ersten Chance haben die das 3:1 gemacht, relativ schnell das 3:2 – was einfach nicht passieren darf. Dann machen sie auch noch das 3:3, wobei ich dabei bleibe, dass das ein Foul an Dome [Kother] war. Wir haben uns vorgenommen, mit Vollgas aus der Halbzeit zu kommen. (…) Leider bekommen wir durch einen individuellen Fehler das 3:4, was uns einen Bruch ins Spiel gebracht hat. Wir haben trotzdem nicht aufgegeben und auch noch die Riesenchance auf das 4:4 durch Eli [Huth]. (…) Es ist eine bittere Niederlage. Wir haben eindeutig zu viele Gegentore bekommen. Mit drei Auswärtstoren musst du hier mindestens einen Punkt mitnehmen. Wir werden jetzt daran arbeiten, dass wir wieder defensiv stabiler stehen.”

Joe Enochs, wie er das Team wieder aufrichten will: “Es gibt in jeder Saison bei jeder Mannschaft Dellen. Dass das für uns auch kommen würde, wissen wir. Es gilt für uns, ruhig und besonnen an den Sachen weiterzuarbeiten, die wir in der Vergangenheit stark gemacht haben. (…) Die Jungs ärgern sich am meisten, dass sie sechs Gegentore bekommen und die 3:0-Führung aus der Hand gegeben haben. Ich werde keinem den Kopf abreißen, sondern wir werden Fehler ansprechen (…) und diese Woche hart arbeiten, dass wir zu Hause gegen Aue ein anderes Gesicht zeigen.”