Gastbeitrag: Das Stehaufmännchen ist zurück

Keine Neuzugänge: Aufsteiger SpVgg Unterhaching muss auf die Jugend setzen – Gastautor Benjamin Schuldt bringt uns den Aufsteiger und langen Konkurrenten aus Unterhaching näher. (Foto – groß: Jasmin Walter/Getty Images for DFB via Onefootball, Foto – Stadion: Benjamin Schuldt)

Abstieg aus der 3. Liga 2015, Wiederaufstieg 2017, Wiederabstieg 2021 – und jetzt hat das “Stehaufmännchen”? Die SpVgg Unterhaching hat erneut den Sprung in die 3. Liga geschafft. Dank der gewonnenen Relegation gegen den FC Energie Cottbus sind die Münchner Vorstädter zurück im Profifußball. Weil das Geld knapp ist, will der Verein künftig verstärkt auf die eigene Jugend setzen.

Über 20 Jahre ist es her, dass die SpVgg Unterhaching überraschend in der 1. Bundesliga auftauchte, sich dort zwei Spielzeiten hielt und dabei so manchen Etablierten ärgerte – man denke nur an einen sensationellen 1:0-Heimsieg gegen den übermächtigen FC Bayern, gleich zwei Dreier gegen Borussia Dortmund 1999/2000 und natürlich den Sieg gegen Bayer 04 Leverkusen, der der Elf von Christoph Daum die fest eingeplante deutsche Meisterschaft vermasselte. Nach dem erwartbaren Abstieg aus dem Oberhaus 2001 war Haching eine eher graue Maus, die mal in der 2. Bundesliga, mal in der Regionalliga spielte, meistens vor wenig Zuschauern. 2008 gehörte die SpVgg ebenso wie Jahn Regensburg zu den Gründungsmitgliedern der 3. Liga.

Ein Relikt aus alten Zeiten

Nachdem der Verein 2008/09 unter dem späteren Premier-League-Trainer Ralph Hasenhüttl den angestrebten Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga knapp verpasst hatte, der langjährige Hauptsponsor ausstieg und man sogar auf einen vermeintlichen Investor hereingefallen war, der sich als Betrüger entpuppte, geriet der Club in finanzielle Turbulenzen. Oft glich der inzwischen verstorbene Schatzmeister Anton Schrobenhauser Defizite aus der eigenen Tasche aus. Statt erfahrener Profis setzte fortan die SpVgg künftig auf junge Spieler, die entweder aus der eigenen Jugend aufrückten oder für geringes Geld aus der Regionalliga- oder Bayernliga kamen. Noch bis 2015 hielt sich Haching mit Billigtruppen in der 3. Liga, mit einer etwas namhafteren Mannschaft um die Ex-Löwen Dominik Stahl, Maximilian Nicu und Stephan Hain dann nochmals von 2017 bis 2021. Falsche personelle Entscheidungen, darunter die Ausbootung des Ex-Regensburgers Jim-Patrick Müller, führten in der Geisterspiel-Saison 2020/21 zum erneuten Abstieg.

Von Adeyemi bis Voglsammer

In den Drittliga-Jahren erarbeitete sich Unterhaching unter der Führung des Ex-Nationalspielers Manfred Schwabl einen guten Ruf als Talentschmiede. Nationalspieler Karim Adeyemi (Dortmund) und weitere gestandene Bundesliga-Profis wie Janik Haberer (Union Berlin), Florian Niederlechner (Hertha BSC), Andreas Voglsammer (Millwall, zuvor Bielefeld), Alexander Hack (Mainz 05) oder Stefan Schimmer (Heidenheim) – alle spielten sie entweder in der Jugend für die SpVgg oder schafften am Sportpark als No-Names ihren Durchbruch. Mit Junioren-Nationalspieler Maurice Krattenmacher steht das nächste Hachinger Riesentalent in den Startlöchern. Der 17-Jährige spielte bereits in der Regionalliga-Saison 2022/23 eine gute Rolle in der ersten Mannschaft, fiel dann aber verletzungsbedingt über Monate aus.

Der Weiterverkauf von begabten Spielern ist derzeit die einzige Chance für die SpVgg, als Profiverein zu überleben. Zahlungskräftige Sponsoren hat der Verein aus der 25.000-Einwohner-Gemeinde südlich von München keine, das Zuschaueraufkommen bleibt im Schatten von Bayern und Sechzig seit jeher überschaubar. Immer wieder geht Präsident Manfred Schwabl daher neue Wege, um etwas frisches Geld zu generieren. Der ungewöhnliche Gang an die Börse oder die Untervermietung des Stadions an das Footballteam Munich Ravens brachten die SpVgg auch in die überregionalen Schlagzeilen. Diese fallen für den einst solide arbeitenden Underdog nicht immer positiv aus: Dass der Verein bis zuletzt offen ließ, ob man im Falle eines sportlichen Aufstiegs überhaupt in der 3. Liga antreten könne und wolle, brachte der SpVgg wenig Sympathien ein.

Neuer Trainer ohne passende Lizenz

Jetzt ist Unterhaching tatsächlich wieder in der 3. Liga am Start und darf sich auf heiße Duelle gegen den TSV 1860 München, Ingolstadt oder den Jahn freuen, jedoch ohne Trainer Sandro Wagner, der zum DFB wechselte. Aus der mit einigen früheren Zweit- und Drittligaspielern besetzten Mannschaft, die souverän die Regionalliga Bayern und auch die Relegation gewann, haben sich Leistungsträger wie Jahn-Neuzugang Niclas Anspach, Christoph Ehlich und David Pisot sowie der lange verletzte beste Torjäger der Hachinger Vereinshistorie, Stephan Hain, verabschiedet. Der neue Trainer Marc Unterberger kommt aus den eigenen Reihen. Er betreute zuvor die U19 und U17, jeweils in der Bundesliga. Im Profibereich ist Unterberger ein unbeschriebenes Blatt, besitzt nicht einmal die nötige Trainerlizenz für die 3. Liga. Eine mögliche Strafe durch den DFB will der Verein in Kauf nehmen, so überzeugt ist man vom neuen Coach.

Um die verbliebenen Routiniers wie Torwart René Vollath, Außenverteidiger Markus Schwabl, Sechser Manuel Stiefler oder Regionalliga-Torschützenkönig Patrick Hobsch sollen nun wieder einmal Spieler aus der eigenen Jugend die Lücken füllen und sich dabei möglichst in den Vordergrund spielen. Externe Neuzugänge gibt es bisher keine – es herrscht eiserner Sparzwang am Sportpark, die Lizenz für die 3. Liga wurde nur unter Auflagen erteilt. Ein wagemutiger Weg also, den Unterhaching geht, wobei nicht auszuschließen ist, dass er zum Klassenerhalt führt.


Benjamin Schuldt (Twitter: @basch86football)