Kommentar: Die Sache mit der Wahrnehmung

Diese Person sah man in den letzten Wochen öfter. Der Titel des Bildes? „C’mon do something“ oder zu Deutsch: „Kommt schon, mach mal was“.
Und diese Person tauchte immer auf, wenn man zwei Schlagworte in den Mund nahm. „Jahn“ und „Kaderplanung“. (Foto: Christian Kaspar-Bartke, Getty Images via Onefootball)

Wie Flo in unserem vorherigen Artikel schrieb, war der Aderlass dieses Jahr unglaublich groß. Und bei aller Liebe zu unserem Verein: Die Kommunikation war dieses Jahr unter aller Kanone. Über jedes Gerücht war man froh, gab es doch kaum welche und um jede Information musste man betteln. Nicht nur mir wurde flau im Magen, wenn man an die nächste Saison dachte, vor allem weil man nicht wusste, wo man im Ligavergleich steht.

Und dann gab es Personen, die immer einen positiven, ruhigen Kopf behielten. „Wartet nur ab, am 25.06.2023 ist Trainingsstart, bis dahin müssen fast jeden Tag welche kommen“. Dass ihnen das nach Werners „Arbeit“ nicht geglaubt wurde, war nachvollziehbar. Und dann ging es in der Woche ab dem 12.06.2023 los. Schlag auf Schlag wurden neue Transfers bekannt gegeben und diese wirkten auf den ersten Blick allesamt gut durchdacht und interessant.
Doch wie kann man nun, auch nach dem ersten Training, die aktuelle Stimmungslage zusammenfassen?
Meines Erachtens ist es nach den letzten Monaten der Reibereien, Streitereien und fehlenden Teamchemie einfach schön zu sehen, dass Leute ehrlich am Lachen sind und wirken, als hätten sie Bock auf Ihre Aufgabe. Besonders beeindruckt hat mich dabei das Trainerteam. Nur von meinem Bauchgefühl her würde ich sagen: „Ja, da fühle ich mich gut aufgehoben“. Und das, obwohl ich ein großer Fan von Mersad war und bleibe.
Meine Stimmung ist trotz fehlender „großer Namen“ und „großer Vergangenheiten“ wirklich gut. Natürlich haben wir keinen Messi verpflichtet, aber es gibt kaum einen Spieler, der mir auf den ersten Blick Bauchschmerz oder Kopfzerbrechen bereitet. Beim ein oder anderen bin ich mir zwar über dessen Rolle noch ungewiss, aber das wird die Zeit zeigen. Für mich wirken sie alle wie Rohdiamanten, bei denen man noch mehr oder weniger schleifen kann.
Im Vergleich zu der chaotisch wirkenden Planung von Roger Stilz scheinen Achim Beierlorzer und Joe Enochs einen klaren Kurs zu verfolgen. Und das macht Mut. Keine x Leihen, kein 10ter offensiver Mittelfeldspieler, das macht Mut.

Über Instagram hatten wir eine Umfrage gestartet. Die Frage lautete: „Wie zufrieden seid Ihr bisher mit den Transfers?“ Und das Ergebnis war recht eindeutig. Die User bewegten das Stimmungsbarometer auf 75 %. Auch in den abgegebenen Kommentaren liest man hauptsächlich viel Positives und gespanntes Feedback.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber die kritischen Stimmen. Und hier kommt nun die Sache mit der Wahrnehmung. Kritik ist wichtig und richtig und soll bitte auch geübt werden. Ich finde nur, man sollte manchmal überlegen, in welcher Realität man lebt. „Wieder kein gestandener Zweit/Drittligaspieler!“, „Was ist mit xxx (aus einem höherklassigen Verein)?“, „Der hat doch kaum gespielt und das in Liga 3?“, „Was, Sandhausen hat Rouwen Hennings, und wen holen wir?“
All diese Aussagen lassen mich ehrlich den Kopf schütteln. Ja, mir ist klar, dass die Phrase „wissen, wo wir herkommen“ jedem aus dem Hals heraushängt. Aber zu kaum einem Zeitpunkt merkt man das mehr als jetzt. Obwohl wir so lange in der 2. Bundesliga waren, können wir immer noch nicht in höhere Regale greifen, wie es Vereine wie Braunschweig, Bielefeld, Sandhausen (die doppelt so lange in der 2. Liga waren als wir) und Rostock tun. Außerdem entbehren Vergleiche mit Schalke, Hertha usw. jeglicher Realität.
Was haben wir aktuell? Ein topmodernes Trainingszentrum und die Möglichkeit, nicht aus dem untersten Regal schöpfen zu müssen. Wir haben jetzt einen Namen, der uns für Spieler und Trainer eine Option sein lässt. Vor 10 Jahren hatten wir vieles davon nicht, aber dafür vergammelte Duschen. Wenn nicht jetzt, wann dann sollte man merken, wo wir herkommen? Auch, wenn man es nicht mehr hören kann.
Und seit wann bürgt ein Name für Qualität? Das ist nicht garantiert und auf diese Garantien angesprochen, wollen diejenigen, die diese unbewusst aussprechen, nichts mehr von diesen wissen. Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, dass Rouwen Hennings oder Sebastian Stolze Sandhausen in die 2 Liga schießen. Wie auch, die Saison beginnt erst!
Und immer dieses Argument „ein gestandener Spieler“. Diese Jungs auf dem Platz haben die Chance, dort zu spielen, also würde ich behaupten, sie haben schon mehr ihren Mann gestanden als die meisten von uns, die auf der Couch liegen und Pizza verspeisen. Außerdem, was macht einen gestandenen Spieler aus? Dass er viele Einsätze hat? Ist das ein Merkmal, das sagt: „Okay, super, nächstes Jahr holen wir den DFB-Pokal“? Ich würde mir wünschen, dass man bei der Wahrnehmung unserer Transfers sich nicht nur von so kurzsichtigen Argumenten blenden lässt. Ich würde mir wünschen, einen Spieler nach seiner bisherigen Karriere, nach seinem und unserem Profil zu beurteilen. Und an seinem Auftreten natürlich.

Meine Wahrnehmung? Ich habe richtig, richtig Bock. Jeden Tag kann ich es weniger erwarten, im Jahnstadion zu stehen und vor Spielbeginn die Namen der Spieler zu brüllen. Es brennt ein rot-weißes Feuer in mir und das braucht Nahrung.

Ich habe einfach richtig Bock!