Einwurf: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel

In unregelmäßigen Abständen schreibt Julian zukünftig in seiner Kolumne „Einwurf“ über seinen Gemütszustand rund um den Jahn. In der ersten Ausgabe geht es um die Niederlage in Fürth und um das, was noch gesagt werden muss.

Beitragsbild: Gatzka

Zum Leben zu wenig…

Hängende Köpfe, Tränen in den Augen, in den Blicken die pure Verzweiflung. Bilder, die man als Jahnfan in den letzten Monaten viel zu oft in den eigenen Reihen gesehen hat. Gut gespielt und trotzdem verloren, eigentlich ein gewohntes Gefühl in der Jahnfamilie. Dennoch war gestern Abend irgendetwas anders. Diese neuerliche Niederlage fühlte sich härter an als zuvor, als würde das Abstiegsgespenst höchstpersönlich den letzten Funken Optimismus aus den Knochen derer ziehen, die es mit dem Jahn halten.

Wieso? Was war an diesem Freitagabend anders, als zwei Wochen zuvor im Nieselregen am Millerntor oder an dem eisigen Samstagnachmittag Anfang März gegen Düsseldorf?

Ist es das Realisieren, dass selbst eine gute Leistung unserer Mannschaft in dieser Liga nicht für einen Punktgewinn reicht? Ist es die Erkenntnis, dass uns für weitere Durchhalteparolen „wenn wir weiter so spielen, holen wir auch noch die nötigen Punkte“ langsam aber sicher die verbleibenden Spieltage ausgehen? Oder ist es einfach der eine, letzte Nackenschlag zu viel? Wie viele Nackenschläge kann ein Verein wegstecken, bevor er endgültig zerbricht?

„Regensburg spielt nicht wie ein Absteiger“. Keine Phrase wurde in den letzten Monaten in den Medien so oft zitiert, wie diese. Unzählige Male konnte man sich als Fan daran hochziehen und neuen Optimismus schöpfen. Doch was, wenn der Jahn zwar nie, wie ein Absteiger spielt, aber am Ende doch einer ist? Selbst bei den treuesten der Treuen graben sich Zweifel wie dieser Woche für Woche tiefer und tiefer in die geschundene Fanseele.

… zum Sterben zu viel.

Abstiegskampf. Seit sechs Jahren wird er dem Jahn vorausgesagt. Nie mussten wir uns ernsthaft damit auseinandersetzen. Vielleicht muss man sich auch als Fan an diese neue Situation erst gewöhnen. Wir alle müssen die Durchhalteparole „Das wird schon noch“ der letzten Monate nicht durch Resignation „Das wars“, sondern durch eine Kampfansage „Jetzt erst recht“ in unseren Köpfen ersetzen. Am Ende der Saison schafft nicht der Verein den Klassenerhalt, der am ehesten die Flinte ins Korn geworfen hat und auch nicht der Verein, der am häufigsten den Trainer gewechselt hat. Am Ende wird der Verein triumphieren, der eben einmal öfter den Nackenschlag weggesteckt hat und einmal öfter wieder aufgestanden ist.

Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die Jahnfamilie zeigen kann, ob sie wirklich eine Familie ist. Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die Geilheit auf eine weitere Saison, zweite Liga und die Freude auf das Gefühl nach dem gesicherten Klassenerhalt größer sein muss, als die Angst vor dem Abstieg.

Lasst uns Fußballdeutschland beweisen, dass wir es verdient haben, uns mindestens noch ein Jahr gegen die Großen des deutschen Fußballs zu beweisen.

Julian Lindemann