Dietz or Die? Pro-Contra zur Neuverpflichtung

Zugegeben, wir als Blog waren alle sehr überrascht. Nicht wenige Jahnfans hatten gedacht, dass die Kaderplanungen abgeschlossen waren. Umso überraschender die Nachricht, dass Florian Dietz vom Effzeh fest verpflichtet wird. Ein weiteres Kapitel für die nicht enden wollende West-Connection ins Geißbockheim, aber auch ein guter Mann für den Jahn? (Foto: Gschlößl / SSV Jahn)

Es werfen sich für mich so einige Fragen auf: Die Kaderplanungen waren laut Beierlorzer abgeschlossen, warum also diese Entscheidung? Wie flexibel einsetzbar ist der nominelle Mittelstürmer? Warum setzt man auf einen Spieler mit einer derart katastrophalen Verletzungshistorie? Warum holt man ihn erst nach dem sechsten Pflichtspiel? Was bedeutet diese Personalentscheidung für Dejan Galjen und Eric Hottmann? Versuchen wir, den Fragen nachzugehen.

Viele hielten den Transfer von Adrian Fein für den letzten dieser Transferperiode, da es auch um den hoch gehandelten Wurm nie Verhandlungen gegeben hatte. Umso überraschender kommt die Verpflichtung „einer klaren 9“, wie er selbst im Interview zu Protokoll gibt. Eine Position, auf der man auf dem Papier ausreichend aufgestellt scheint. Galjen und Hermes hatten zuletzt um die Startposition gekämpft, wobei sie gegen Duisburg noch beide gestartet sind. Hermes ist in dieser Hinsicht wohl flexibler als Galjen, der gegen Schweinfurt auch nicht eingewechselt wurde. Letztgenannter könnte sich aufgrund der neu hinzugewonnenen Konkurrenz noch mal nach einem neuen Verein umschauen. In seiner Situation wäre dies allerdings sehr risikobehaftet. Wünschenswert wäre es, wenn er weiterhin Weiß-Rot trägt und so für einen gesunden Konkurrenzkampf in der Offensive sorgen könnte. 

Kaum Spielpraxis

Die Flexibilität von Dietz im Positionsspiel dürfte eher begrenzt sein. Mit 27 Jahren ist man schon relativ gefestigt. Der kopfballstarke Rechtsfuß sieht seine Stärke darin, „Bälle festzumachen“. Da er in den vergangenen zwei Jahren kaum Spielzeit sammeln konnte, sind Statistiken wenig aussagekräftig. Dennoch lässt sich hierbei im Vergleich beobachten, dass er eine außerordentliche Kopfballstärke besitzt. Beim Herausspielen von Torchancen sowie Schussversuchen hat er klare Defizite.

Ein Blick in die Verletzungshistorie lässt Böses erahnen: Seit der Saison 23/24 fehlte Dietz 323 Tage verletzungsbedingt und kam so auf nicht einmal 1400 Spielminuten in den letzten zweieinhalb Jahren, aufgrund vieler Verletzungen: In den letzten fünf Jahren stehen zwei Kreuzbandrisse und vier Schulterverletzungen zu Buche. Zuletzt kurierte er einen Schlüsselbeinbruch aus. Jeder, der hier eine Sofortlösung erwartet, wird bitter enttäuscht werden. Er wird diesen Schritt bewusst gewählt haben, um in einem ruhigen Umfeld zu alter Stärke zurückzufinden. Vorausgesetzt natürlich, dass er sich nicht verletzt: Aber bei seiner bisherigen Karriere wäre das die absolute Ausnahme. 

Warum erst jetzt?

Warum holt man den 1,90-Meter-Hünen allerdings erst jetzt, Mitte August? Die einzige plausible Erklärung für die späte Verpflichtung ist, dass es mit Eric Hottmann wohl keine Planungssicherheit gibt. Nach seiner Knie-OP will Wimmer noch keinen Zeitpunkt festlegen, wann Hotte wieder im Training sein kann. Hier liegt die Vermutung nahe, dass sich der Genesungsprozess doch hinziehen könnte (kennen wir ja von Bene Saller), weswegen nun nachgelegt wurde. 

Die Verpflichtung verdient das Prädikat außergewöhnlich. Diese Personalentscheidung hat das Potential, vielschichtig den Kader zu verändern. Ich persönlich kann die Personalentscheidung aufgrund vieler Risikofaktoren nicht nachvollziehen. Trotzdem wünsche ich ihm eine maximal erfolgreiche Zeit beim Jahn.

Kittenkurmler

21 Tore in 43 U19-Bundesliga-Spielen, 27 Scorer in 40 Regionalliga-Einsätzen, 46 Spiele in der dritten Liga, 16 Einsätze im deutschen Oberhaus und sogar ein Treffer auf internationalem Parkett in der Conference League – mit 27 Jahren. Liest man nur die Statistiken, kann eigentlich kaum einer den Transfer nur schlecht sehen.

Natürlich, Dietz war und ist von einer großen Verletzungshistorie geplagt und spielte in den letzten Jahren kaum. Dennoch kann man mit einem solchen Spieler, noch dazu wohl ablösefrei, wenig falsch machen. Blickt man auf den Kader, so scheint Florian Dietz genau der wuchtige Stoßstürmer zu sein, der dem Jahn fehlte. Eric Hottmann ist von langwierigen Verletzungen geplagt, Lucas Hermes meiner Meinung nach kein klassischer Stoßstürmer, Dejan Galjen über weite Strecken der letzten zwei Jahre enorm unglücklich und bei Christian Kühlwetter weiß auch keiner so recht, auf welcher Position er jetzt genau am besten aufgehoben ist.

Wuchtige zusätzliche Option

Der Ex-Kölner passt mit seinen wuchtigen 1,90 Metern hier perfekt rein. Es wird erst mal nicht der Plan sein, ihn als Stammkraft einzuplanen, das wäre freilich Wahnsinn, aber als zusätzliche Option kann die Verpflichtung sehr klug sein. Mir fällt beispielsweise kein Spieler ein, den man bei einem Rückstand in den letzten 15 Minuten vorne reinwerfen kann, der Bälle festmachen und, ob seiner Größe, vielleicht auch eine Flanke per Kopfball verwerten könnte.

Natürlich, Beierlorzer und Co. gehen bewusst ein Risiko ein – bekommt Dietz seine Verletzungsanfälligkeit nicht los, kann es passieren, dass er kaum Einsätze bestreitet und die Verpflichtung retrospektiv unglücklich war. Aber geht man wirklich mehr Risiko ein als bei so ziemlich jedem anderen Transfer? Adrian Fein – seit Jahren kein steiler Karriereweg nach oben, Sebastian Stolze – ein Rückkehrer ohne wahnsinnig gute Saison beim Absteiger aus Sandhausen, Lucas Hermes, Phil Beckhoff, Davis Asante – alles Regionalligaspieler ohne Garantie, dass diese sich in der dritten Liga durchsetzen können.

Ein kalkuliertes Risiko

Als SSV Jahn Regensburg ist jeder Transfer, auf verschiedenste Art und Weise, ein kalkuliertes Risiko. Der Unterschied bei Dietz – er hat, auch auf hohem Niveau, bereits bewiesen, dass er Qualitäten hat. Der Jahn und wir Fans müssen ihm vertrauen. Fakt ist: Wir bekommen einen Stürmer mit Bundesligaerfahrung (und Bundesligator), der zumindest Stand jetzt fit ist, der große Lust auf die Aufgabe Regensburg hat und der ein Spielertyp ist, den wir möglicherweise schmerzlich vermisst hatten – bei diesem Gesamtpaket bin ich gerne bereit, das Verletzungsrisiko einzugehen.

Leander

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