Zum 116. Geburtstag: Wer war eigentlich Hans Jakob?

Er war einer der besten Torhüter seiner Generation und vertrat den Jahn in der deutschen Nationalmannschaft. Er absolvierte über 1000 Spiele und setzte sich gegen den Nationalsozialismus ein. Doch wer war eigentlich Hans Jakob genau? (Foto: Fox Photos/Hulton Archive/Getty Images)

“Zu schade, daß die Fotografen neben dem Tor keine Filmkamera aufgebaut hatten. Das Spiel Jakobs, mit dem er seiner Regensburger Mannschaft am Sonntag in München zwei Punkte gewann, wäre ein Lehrfilm geworden mit dem Titel: So soll ein Torhüter Fußball spielen.” („B.Z. am Mittag“ vom 10.11.1937)

Schon lange galt er als Vereinsgröße und ist nun endlich mit einer Büste hinter ‘seiner’ Tribüne verewigt. Kein Jahnspieler vor oder nach ihm konnte an seine Erfolge annähernd herankommen. Völlig zurecht gilt er bei vielen als Ikone und Fußballlegende. Doch vor lauter Lob über den gebürtigen Münchner vergisst man oft eines: Die Person hinter der Torwartlegende und sein in vielerlei Hinsicht bewegtes Leben. Zeit wird es, anlässlich seines 116. Geburtstags eine kleine Zeitreise zu machen.

Die Anfänge

Beginnen wir in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg: Bayern war eine konstitutionelle Monarchie und heutige Radiosendungen über Fußball gab es nicht, sie waren schließlich noch nicht erfunden. Die Zeit war prädestiniert für Straßenkicker. Der Sohn Regensburger Eltern erblickte 1908 das Licht der Welt und es verschlug ihn, wie viele andere Kinder, schnell auf die Straße.

Um sich seine ersten Fußballschuhe leisten zu können, sammelte er auf der Straße Metallstangen und verkaufte diese. Seine Eltern waren von diesem Einkauf weniger angetan, da sie die Schuhe zunächst versteckten und schließlich sogar verbrannten. Ein prägendes Erlebnis, wie sich herausstellen sollte: Nach dem Umzug der Familie zurück nach Regensburg trat er der Turnerschaft Regensburg bei und kickte dort zunächst als Abwehr- und Angriffsspieler.

Als an einem Tag der eigentlich vorgesehene Torwart nicht beim Training erschien, musste der „langhaxige Jackl“ notgedrungen ins Tor. In diesem Spiel kassierte er vier Tore, weswegen er lieber wieder als Feldspieler auflief. An einem weiteren Tag fehlte aber wieder der Torwart, Jakob übernahm den Job und plötzlich war es geschehen: Jeder sprach nur noch vom jungen Torwarttalent, “den langen” Hans Jakob.

Hans Jakob beim SSV

Durch seinen Wechsel zum damaligen Sportbund Jahn im Sommer 1926 ging für den jungen Burschen ein Traum in Erfüllung: Er schaute nicht mehr seinen großen Idolen bei Spielen zu, er war plötzlich selbst ein Teil der Mannschaft. Es brauchte für ihn natürlich Eingewöhnungszeit, trotz allem war er bald nicht mehr aus dem SSV-Tor wegzudenken. So mancher Spieler kam und ging. Bessere finanzielle Angebote anderer Vereine kamen für ihn herein, die damals bei Weitem nicht so verlockend waren wie man meinen könnte, doch Hans Jakob blieb.

Gleich in der Saison 1926/27 gelang der Aufstieg in die damalige erste Liga und in den darauffolgenden Jahren sogar eine Teilnahme an der süddeutschen Meisterschaft, nach der mit der Errichtung einer ersten Tribüne am alten Jahnstadion begonnen wurde. Da Hans Jakob parallel ab 1930 auch im Tor der deutschen Nationalmannschaft zu finden war, sorgten seine Spiele für ein gestiegenes Zuschauerinteresse. Highlights dieser Zeit waren u.a. die Vizemeisterschaft hinter dem FC Bayern 1930 oder ein 7:0-Sieg gegen Nürnberg im Jahr 1939.

Und ein heute irrwitziger Fakt: Wenn es offensiv mal nicht laufen sollte, ging Jakob auch mal in den Sturm und jemand anderes ins Tor. Parallel hielt er sich mit Leichtathletik fit. Wasserball, Fahrradfahren und Hürdenlauf waren für ihn ein „idealer Ergänzungssport“. Trotzdem blieb das Tor seine Hauptposition, auch weil mitten im Zweiten Weltkrieg ein Wechsel anstehen sollte.

München, Lichtenfels und der Lichtblick dunkler Jahre

Im Sommer 1942 ging es zu seiner zweiten Liebe: dem FC Bayern. Die zunehmenden Bombardements auf die Stadt zwangen ihn zwar zu einem Umzug an den Tegernsee, doch blieb er weiterhin den Münchnern treu. Mit der damals als „Judenklub“ diffamierten Mannschaft gewann Jakob 43/44 die Gauliga Südbayern. 44/45 war man ebenfalls Tabellenerster, allerdings wurde aufgrund der Kriegsniederlage Nazi-Deutschlands kein Meister ermittelt. Für Hans Jakob war klar: Mit dem letzten Spiel bei den Stuttgarter Kickers im März 1946 ist meine Karriere beendet.

Die zufällige Begegnung im Urlaub mit dem Sportchef vom FC Lichtenfels änderte das. Die ambitionierten Unterfranken suchten für die Saison 46/47 noch einen Torwart für das damals drittklassige Landesligateam. Die Jahn-Legende konnte offenbar nicht nein sagen und so wurde Jakob Teil der Aufstiegsmannschaft in die damalige zweite Liga.

Die Trümpfe dieser Saison waren junge talentierte Spieler und die defensive Stabilität, über den Hauptakteur dürft ihr drei Mal nachdenken. Durch den darauffolgenden Aufstieg wurde der Bau einer Tribüne in der fränkischen Kleinstadt eingeleitet. Der FC Lichtenfels hielt sich danach noch jahrzehntelang im gehobenen Amateurfußball.

Und der Jahn aus Regensburg? Keinesfalls waren die zwei Jahrzehnte nach der Torwartära nur von Misserfolgen geprägt, trotzdem avancierte die Jahnelf immer mehr zur Fahrstuhlmannschaft. Hans Jakob selbst stand nur noch äußert selten im Rampenlicht, meist erledigte er Vereinsarbeit im Hintergrund. Für ein Jahr coachte er 59/60 die Rothosen und führte sie zum Erstligaaufstieg in die Oberliga Süd.

Durch (fast) ganz Europa – Von Spiel zu Spiel

Über die Nationalmannschaftskarriere lässt sich so viel sagen, dasshöchst wahrscheinlich bald dazu ein weiterer Artikel folgen wird. Deswegen hier nur seine persönlichen Highlights: Sein erstes Länderspiel 1930 gegen Norwegen (Endstand 1:1), das Spiel um Platz 3 bei der WM 1934 in Italien, wo er mit Glanzparaden den Deutschen den dritten Platz sichert (Endstand 3:2) sowie ein souveräner 4:0-Heimsieg gegen Frankreich im Frühjahr 1937.

Erwähnenswert ist auch Jakobs Position in der sogenannten „Breslau-Elf“. Diese Mannschaft besiegte im heute polnischen Wroclaw die dänische Nationalmannschaft, die davor über ein Jahr lang ungeschlagen war. Entsprechend hoch waren danach die Ansprüche des NS-Regimes, das die Nationalelf propagandistisch missbrauchte. Die darauf folgenden Misserfolge bei der WM 1938 ließen ein größeres Interesse aber abflachen.

Etwas Besonderes war die Berufung für eine Westeuropa-Auswahlmannschaft, die gegen eine zentraleuropäische Mannschaft im Juni 1937 antrat. Bei diesem Spiel unterlagen die Niederländer, Franzosen, Belgier und Deutschen den Italienern, Ungarn, Österreichern und Tschechoslowaken. Was wäre das heute für ein denkwürdiges Ereignis für die Völkerverständigung gewesen.

Er selbst schrieb in seiner Autobiografie: “Viele Jahre hindurch waren ein vorbildlicher Mannschaftsgeist und ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl die Stärke des ‘Jahn‘.”

Ich finde, dieser Satz passt auch 75 Jahre später noch gut in die heutige Zeit. Das Wichtigste ist, auch bei übergeordneten Werten, nicht zu vergessen, woher man kommt und diese Werte auch zu leben. Damit war und ist Hans Jakob ein leuchtendes Beispiel für ganz Fußballdeutschland.

Die Ikone starb 1994. Legenden sterben nie!

Fortsetzung zu dieser Reihe folgt.