Das Ende von Anfang

27. April 2024: Wir schreiben den 35. Spieltag gegen Dynamo Dresden, welches ohne Cheftrainer ist. Es wäre wohl der nächste Satzpunkt für den Jahn. Unsere Gedanken erfahrt ihr hier.

„Das haben wir uns alles anders vorgestellt – nicht nur heute, sondern insgesamt.“: Das 0:2 gegen Viktoria Köln unterstrich noch einmal die Krise der Dresdener – nun zogen die Sachsen einen weiteren Schlussstrich. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Dynamo Dresden holt Markus Anfang als neuen Cheftrainer! So lautete am 10.06.2022 die Pressemitteilung der SG Dynamo Dresden. Eine Meldung, die damals sehr gemischt aufgenommen wurde. Einige Fußballfans zeigten sich sehr begeistert nach dem Abstieg in Liga 3. Mit Markus Anfang kam ein Trainer mit einer doch beachtlichen Vita zur Elbflorenz. 2018 schaffte er immerhin mit Holstein Kiel fast den Aufstieg in die Bundesliga und durfte sich danach bei Köln, Darmstadt und Bremen beweisen. Dass Anfang Fußball kann, wussten einige und dass er gerade zu einem Drittligisten ging, weckte bei vielen Mut.
Doch einige sahen das nicht nur aus sportlicher Sicht kritisch. Auf der einen Seite ist der Trainer als Typ nicht überall beliebt – man unterstellt Anfang, dass er ein schlechter Verlierer sei und nach einer Niederlage den Gegner gerne klein halte. Am meisten umstritten war jedoch Anfangs Vorgeschichte. Wir sind kein Politikblog, jedoch kommen wir nicht drumherum, dass es hier um ein Thema ging, welches für viele wohl nicht politisch korrekt ist. Dass mit Markus Anfang eine Person kam, die den Impfpass fälschte und dann auch noch auf dem Kölner Karneval feierte, sorgte für viel Kopfschütteln. Ob man jemanden holen muss, der die Gesellschaft so belogen hat, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.

Und die Ehe schien von Erfolg gekrönt zu sein. In der ersten Saison erreichte man immerhin Rang 6. Der eigentliche Anspruch war freilich der Aufstieg, aber man „scheiterte“ auch nur knapp daran. Dresden schien in dieser Saison guten Fußball zu spielen. In der Offensive zauberte ein Ahmet Arslan (25 Tore) und auch so waren einige stabile Spieler an Bord so u.a. auch der damalige Kapitän Tim Knipping.

Entlarvende Rückrunde

Es schien also alles bereit für eine erfolgreiche Saison 2023/2024 zu sein. Und in der Tat lief diese auch in der Hinrunde äußerst gut. Man lieferte sich mit uns ein Duell um die Spitze und sah sich schon auf dem besten Weg in Liga 2. Doch dann kam der große Einbruch. Als Jahnfan redet man hier wohl aus leidvoller Erfahrung. Und wie so oft kam nun auch Unruhe in den Verein.

Was man so von außerhalb mitbekam, waren die Verantwortlichen, aber auch die Fans mit der Arbeit von Sportchef Ralf Becker nicht überzeugt. Er wurde am 05.03.2024 beurlaubt. Interessanterweise wurde er zuvor auch beim HSV beurlaubt, als man den Aufstieg verspielte. Aber der HSV und Dynamo sind, was Druck und Erwartungshaltung angeht, sehr ähnlich. Wobei ich natürlich darum bitte zu beachten, dass dies nur mein Eindruck von außen ist. Dass unter anderem nicht mit Kapitän Tim Knipping verlängert wurde, stieß damals auf nicht viel Verständnis. Aber auch dass laut Anfang die Mannschaft offensiv nicht etwas mehr Power bräuchte, kehrte sich gegen ihn. Gerade die Dynamik sowie die Freilaufbewegungen wurden im Laufe der Rückrunde weniger – das Ballbesitzspiel wurde von einer Struktur zu einer Starrheit.

Markus Anfang fiel wohl am Ende vor allem seine Außendarstellung auf die Füße. Nicht nur das die Leistung der Mannschaft enorm einbrach, man hatte von außen das Gefühl, als würde Anfang die Fehler eher beim Gegner und deren Spielweise suchen als bei sich selbst und seiner Mannschaft. Viele Jahnfans werden sich hier ans Hinspiel und unseren glücklichen Sieg erinnern. Anfang war nicht einverstanden mit unserer Spielweise, aber auch defensives Spielen kann nun mal auch zum Erfolg führen. Anfang akzeptierte mehrmals nur den eigenen Erfolg, der der anderen ist für den Trainer meist nur Zufall.

(K)ein Wunschtransfer

Dass sein Wunschtransfer, Ahmet Arslan, der auf Leihbasis wieder zurückkehrte, auch nicht zündete, war nur mehr Öl im Feuer. Die letzten Spiele festigte sich als externer Beobachter der Eindruck, dass irgendwas in der Mannschaft nicht passt und der Trainer es nicht schafft, die nötige Ruhe und Sicherheit wiederherzustellen. Für mich persönlich bezeichnend waren auch die letzten TV-Bilder vom Spiel gegen Köln. Man sah Anfang meiner Meinung nach die Ratlosigkeit an. „Das haben wir uns alles anders vorgestellt – nicht nur heute, sondern insgesamt.“, so endete die Amtszeit von Anfang. Die von Hoffnung geprägten 79 Spiele müssen am Ende als Missverständnis abgestempelt werden.

Sicherheit schlägt individuelle Qualität?

Am Ende bleibt wie so oft die Frage: Lag es wirklich nur am Trainer? Das überlassen wir gerne den Fans von Dynamo Dresden. Festzuhalten bleibt aber, dass Markus Anfang eine Darstellung inzwischen letztendlich auch auf die Füße fiel. Für den Jahn ist das aktuell natürlich alles nur positiv. Denn eine verunsicherte Dresdner Mannschaft ist besser als eine selbstsichere. Denn die Qualität kann den Jungs von der Elbe niemand absprechen.

Die Zukunft von Dynamo Dresden ist weiter fraglich

Immerhin: Ulf Kirsten, die Legende schlechthin, war wohl schon vor der Niederlage bereit und übernimmt bis zum Saisonende mit Heiko Scholz. Eine lange Trainersuche wäre gleichbedeutend mit dem Nicht-Aufstieg gewesen, aber die Personalie Kirsten zeugt nicht gerade vor großer Hoffnung.

Schon immer verehrt – Ulf Kirsten (Foto:Holm Roehner/Bongarts/Getty Images)

Deren Aufgabe wird es jetzt sein, dass sie die Unsicherheit aus den Spielern treibt – eine Unsicherheit, die auch von den Rängen getrieben wurde. Die Morddrohungen an Stefan Kutschke, das Abbrennen von Choreos und Beleidigungen inklusive zahlreicher Pfiffe. „Dann wurde es natürlich immer unruhiger im Stadion, wir wurden nervöser und verkrampfter“, erklärte Tom Zimmerschied nach der Partie. Denn auch die Spieler dürften mittlerweile registriert haben, was am Samstag mal wieder nicht zu übersehen war: Fans sind ein Antreiber, können aber auch eine Blockade sein.

Sobald Führungsspieler wie der Abwehrmann Bünning oder Leistungsträger wie Zimmerschied vor das Mikro treten, dann ist ihnen die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Anstatt Chaos auf dem Feld, läuft es einfach dahin, dadurch fragen sich die Dresdener, wie konnte das eigentlich passieren? Anfang trieb seine Mannschaft mit einer Dominanz an, aber auf der Erfolgswelle verlernte man die Basics.

Kirsten soll nun über den Trainer-Effekt wieder Sicherheit in die Mannschaft bringen, erst danach kann man wieder Kreativität und Inspiration erlangen, ob dafür die Zeit reicht, ist fraglich. Fast schon irritierend von der Ruhe hat Dynamo wieder der Instinkt verlassen: Die unangenehme Entscheidung wurde erst getroffen, als es unumgänglich war. Anstatt einem „wir schaffen das zusammen“ wurde aus den Fingerzeigen von Anfang ein Fingerzeig in die eigene Richtung. Und inzwischen kann man den Verantwortlichen unterstellen, dass sie vom Erfolg geblendet waren und so den Überblick verloren – über den Verein und die Mannschaft.



Verletzungen: Melichenko (RV; Verletzung am Knie), Berger (DM; Knochenriss), Kraulich (IV; Oberschenkelbeschwerden), Cueto (LA; unbekannt), Bünning (IV, angeschlagen gegen Zwickau ausgewechselt)

Voraussichtliche Aufstellung: Broll – Meier, Ehlers (Bünning), Lewald, Kammernknecht – Will, Herrmann, Hauptmann – Zimmerschied, Kutschke, Lemmer