Nachbericht: „Die Intensität nicht angenommen“

Atmosphäre wie in einem Finale. Platz 1 fest vor Augen. 2.Bundesliga - wir kommen wieder. Dann: Regensburg stellt das eigene Spiel ein. Bekommt Angst. Ist nicht mehr bereit. Was bleibt sind hängende Köpfe.

SSV Jahn in Ulm: Die Schlüsselmomente

Was lange währt, wird (endlich) gut, dachten sich zum Topspiel der 3. Liga wohl die beiden Cheftrainer Thomas Wörle und Joe Enochs. Beide traten mit derselben Elf wie aus der Vorwoche an, der Jahn bereits zum vierten mal in Folge. Während der Jahn in seiner üblichen Grundformation eines 4-2-3-1 mit Noah Ganaus in der Spitze startete, wählte Ulm ein 3-4-3-System als Grundordnung. Es blieb aber auch nur bei Grundordnungen, da die Mannschaften während der verschiedenen Phasen munter ihre Formationen veränderten. Auf der Bank gab es von Seiten des Jahn nur eine interessante Beobachtung: Alex Weidinger fehlte. Ob krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen ist uns nicht bekannt – zuletzt reichte es nicht wegen einer noch nicht auskurierten Erkältung, aber dies ist auch schon einige Wochen her, vielleicht geht der Jahn aber auch nur eine Nummer sicher. Seinen Platz nahm Leon Cuk ein.

Insgesamt erwartete die Zuschauer ein munteres Fußballspiel in einer sehr angenehmen Atmosphäre. Das Donaustadion in Ulm wird bei einigen Jahnfans die Erinnerungen ans alte Jahnstadion geweckt haben. Viele Stehplätze, wenig Überdachung und man sah dem Stadion das Alter einfach an. Abgerundet wurde das ganze von einer Laufbahn um das Spielfeld. Und lasst euch gesagt sein, dass man auch im Inneren des Stadions merkte, dass es eher eine städtische Sportanlage als ein reines Fußballstadion ist. Positiv zu erwähnen ist an dieser Stelle der Einsatz der zahlreich mitgereisten Jahnfans. Von mindestens 1.100 Zuschauern aus der Oberpfalz ist auszugehen. Insgesamt waren 16.030 Zuschauer zu Gast in Ulm. Der Einsatz der Jahnfans war meines Erachtens so gut, dass ich sie das ganze Spiel über deutlich wahrnehmen konnte und alle Ulmer Tribünen zusammenhalten mussten, um unsere Fans zu übertönen. Allerdings sei hier auch angemerkt, dass die Pressetribüne neben dem Heimblock ist und eine Glasscheibe dazwischen ist.

Jedoch gab es nicht nur lautstarken Support von den Rängen, nein, es gab auch von beiden Fanlagern Pyroshows und ein paar Blinker. Es kam wie gewohnt nur zu einer guten Show und keinen Zwischenfällen. Doch widmen wir uns nun mal dem Spiel.

1. Halbzeit: Munterer Schlagabtausch

Die erste Halbzeit lässt sich durchaus noch so beschreiben. Beide Mannschaften versuchten dem Spiel ihre Philosophien aufzudrücken. So richtig gelingen sollte das aber keiner von beiden. Der Jahn presste sehr hoch, kam aber nicht entscheidend hinter die hintere Linie der Ulmer. Diese schoben ihrerseits sehr hoch und machten den Raum zwischen der letzten und der Linie davor sehr eng. Ulm versuchte aber genau in diesem Teil des Feldes, mit Ballbesitz den Jahn und vor allem die Außenverteidiger zu locken, um sie so zu überspielen. Das gelang mal mehr und mal weniger gut.
Insgesamt erlaubten sich beide Mannschaften jedoch nicht viel und wehrten jeden Angriff konsequent ab. Noah Ganaus prüfte aus spitzem Winkel den gegnerischen Torhüter Ortag. Leider hielt der Ulmer Kapitän Reichert seinen Schlappen dazwischen und konnte somit einen Einschlag verhindern.

2. Halbzeit: Die Intensität nicht angenommen

Nach diesem munteren Schlagabtausch war ich frohen Mutes für die zweite Hälfte. Es war alles drin. Doch dann passierte etwas, was nicht nur ungute Erinnerungen weckt, sondern leider auch bezeichnend für diese Saison ist. Einer der besten Spieler der Ulmer, Scienza, lässt Kother an der Seite stehen, chippt den Ball gut in den Lauf seines Mitspielers Higl und dieser verwandelt. Tor für die Ulmer Spatzen. Der Jahn wäre der Meinung gewesen es gab vorher ein Foulspiel, die Peife von Schiedrichter Dingert blieb jedoch stumm.

Apropos Schiedsrichter. Per se lieferte er meiner Meinung nach ein gutes Spiel ab. Er ließ viel laufen, sowohl beim Jahn als auch bei Ulm. Für die ganzen „Schläge“, Schubser und Provokationen der Ulmer, die auf eine Rudelbildung spekulierten, hätte ich mir jedoch eine härtere Linie gewünscht. So lief das Spiel etwas aus den Rudern, eventuell hat sich das Schiedsrichtergespann auch von der Kulisse zu sehr beeinflussen lassen.

Zurück jedoch zum Spiel. Wobei es nicht mehr viel gibt. Lange Rede, kurzer Sinn: Es war einfach zu wenig und es war nicht gut genug.
Nein, ich sehe es persönlich nicht so, dass der Jahn sich in der 2. Halbzeit so präsentiert hat, als gehöre er da nicht hin und stehe nur durch Glück da oben. Aber irgendwas ist beim Gegentreffer und auch schon vorher mit der Mannschaft passiert. Spielte man in der ersten Hälfte noch gut mit, so war man in der 2. Halbzeit nicht nur mehr verkopft, sondern auch nicht mehr konzentriert. Auch muss man sich damit auseinandersetzen, wie das Tor fällt. Dominik Kother darf sich nicht so austricksen lassen und gerade in diesen Situationen muss man hellwach sein. Auch nach einem Gegentreffer muss man versuchen, konzentriert weiterzuspielen und auch versuchen, eine ernsthafte Gefahr im Offensivspiel zu sein. Der Jahn tendierte allerdings zum Gegenteil. Die Ulmer kamen immer und immer wieder gefährlich an unser Tor. Nicht falsch verstehen, unsere Defensive wurde nicht überrannt, aber so richtig lösen konnte sie sich auch nicht. Ohne Felix Gebhardt, der einen Kopfball nach einer Ecke bärenstark parierte, hätte es in der 89. Minute wohl bereits die Entscheidung gegeben.

Mein persönliches Fazit nochmal zum Schluss: Es war nicht gut. Am Ende haben überall ein paar oder mehrere Prozent gefehlt. Ulm hat uns in diesem Spiel Grenzen aufgezeigt oder wie es Joe Enochs auf der Pressekonferenz sagte: „Wir konnten diese Intensität nicht mitgehen“. Die Wahrheit ist: Ich hätte mir in einem solch wichtigen Spiel mehr Biss erhofft und auch, dass all die Trainingseinheiten und Analysen mehr Früchte tragen, als sie es aktuell tun. Gesagt werden muss aber auch: Man ist immer noch Zweiter. Wahrscheinlich ist es der Fluch des Jahnfans, sich das Leben nicht zu einfach zu machen.

Es bleibt nun nur, sich den Mund abzuputzen und am besten am Samstag eine starke Reaktion gegen Dresden zu zeigen, also sich eher an Halbzeit 1 oder an dem Spiel gegen Münster zu orientieren. Wir haben noch alles selbst in der Hand und müssen jetzt nur zugreifen. Doch das heute legen wir in den Akt “nicht ausreichend” ab.

Das lief gut

Auch wenn es die meisten wohl nicht mehr hören können, fand ich, dass Noah Ganaus gestern sein Potenzial erneut angedeutet hat und auch auf den Platz brachte. Und zwar aus einem einfachen Grund: seine Anlagen.
Ich habe meinem geschätzen Kollegen Max Aichinger oft auch nicht geglaubt, als er sagte, dass Ganaus Laufwege top sind. Heute habe ich etwas darauf geachtet und ich muss zugeben: Es macht wahnsinnig Spaß zuzusehen! Auch beim Liveticker des Kicker wurde es in der 30. Minute bemerkt. Die Option, dass Ganaus zwischen die Linien abkippt, ist enorm wertvoll und macht unsere Offensive auch etwas unberechenbarer. Für seine erste Drittliga-Saison ist es ordentlich, jetzt muss nur nachgelegt werden. Dass hier ein Offensivspieler trotz des Ergebnisses genannt wird, wirkt zwar etwas fehl am Platze, aber ist angesichts der Leistung der anderen Spieler doch gerechtfertigt.

(Foto: Jasmin Walter/Getty Images for DFB)

Enttäuschungen des Spiels

Tatsächlich herrschte eine gewisse Einigkeit bei uns, dass wir dieses Mal leider Konrad Faber nicht auf seinem sonst gewohnten Niveau sahen. Seine Flanken kamen teilweise nicht an oder gingen in einen Gegenspieler. Außerdem konnte er sich oft körperlich nicht durchsetzen und verlor einige Duelle so. Natürlich muss man sehen das Konni nicht so ein bulliger Typ wie z.B. ein Robin Ziegele ist, aber nur die Schnelligkeit alleine macht meines Erachtens noch nicht den Unterschied. Freilich möchte ich nicht härter sein als nötig, nur ich hätte mir hier einfach eine Steigerung gewünscht. Vielleicht straft mich Konni nächste Woche Lügen? Das Spezi geht dann natürlich auf mich!

Flo aus unserem Team sagte es ganz gut: „Wieso haben wir letzte Woche etwas Blödes über die Löwen gesungen? Das gehört irgendwo dazu.“
Allerdings konnte ich das Regensburger Hurensöhne zum Zeitpunkt, wo es angestimmt wurde und so leise wie es angestimmt wurde, ehrlicherweise nicht nachvollziehen. Wenn dann richtig, aber so halbgar fühlt sich komisch und unnötig provokant, beim vielleicht vorentscheidenden Sieg der Heimelf für den Aufstieg, an.

Und auch wenn das Stadion etwas älter ist: Eine ordentliche Anzeigetafel wäre super, aber das ist jammern auf hohem Niveau!

Fazit zum 0:1

Für mich machte die Stimmung in den Vereinen und so auch in der Mannschaft an diesem Abend den entscheidenden Unterschied. Denn eines steht mal fest: Dass unser Kader und unsere Anlagen schlechter sind als die von Ulm, kann mir niemand erzählen. Ich finde, man hatte den wunderbaren Vergleich der Spatzen, die seit 2 Jahren auf einer Welle reiten und scheinbar verlieren verlernt haben, zum Jahn, der noch von seiner Abstiegssaison ein Trauma nach sich zieht. Was sogar meiner Meinung nach okay ist, denn scheinbar ist weder das Umfeld noch die Mannschaft bereit für einen weiteren Abnutzungskampf in Liga 2. Wer einer Mannschaft keine Entwicklung zugesteht, der macht auch als Umfeld keine. Ich will, dass wir oben sind, weil wir gut sind, weil wir eine Einheit sind, weil wir als Verein echte Werte haben und nicht durch Pfiffe oder Beleidigungen motivieren – eine gebrochene Mannschaft hat noch nie gewonnen, eine herabgewürdigte immer verloren.

Wir fangen ab heute wieder bei Null an. Der Druck war zu groß, wir waren nicht bereit – weder in den Zweikämpfen, noch in den Angriffen, als auch mental. Diese junge Mannschaft geht aktuell durch eine schwere Phase. Ich verstehe den Unmut angesichts der tabellarischen Lage, aber wenn wir den richtigen Weg in der Entwicklung wählen, dann wird viel mehr als ein bloßer Aufstieg möglich sein – das müssen aber auch wir zulassen.

Der Jahn war dann am besten, wenn niemand mehr an uns glaubte. Auch wenn es schwer ist, nach dieser enttäuschenden Leistung den Glauben zu wahren und der Mannschaft weiter zu vertrauen – es gibt keine Alternative, wer resigniert, der verliert sowieso. Aufgeben gibt es hier nicht. Nicht gestern, nicht heute und auch nicht morgen.

Manchmal ist unsere rot-weiße Fußballwelt halt auch nur ein ganz normales Leben, wo du teilweise keine Ahnung hast, wie es weitergehen soll und trotzdem einfach weitermachen musst.

…AUCH IN DUNKELER ZEIT UND IN SCHWERER NOT…

M.A.

Stimmen zur Niederlage

Konrad Faber zum 0-1: “Wir haben in den wichtigen Zweikämpfen oft den Kürzeren gezogen, dann fällt eben das 1:0. (…) Gerade in den zweiten Bällen waren wir nicht so da, nicht so griffig. In der ersten Halbzeit ging es nach deren langen Bällen schnell wieder in die andere Richtung, das haben wir in der 2. Halbzeit nicht mehr so hinbekommen. Wieso genau muss ich auch Video sehen, weil eigentlich haben wir nichts verändert in der Halbzeitpause. (…) Gegen Dresden wird wieder ein wichtiger Fight, aber dieses Mal hoffentlich mit dem Ergebnis auf der richtigen Seite.”

Felix Gebhardt zum Druck: “Ne. Wieso soll der Druck zu groß gewesen sein? Wir haben eine super 1. Halbzeit gespielt, wir sind in der 2. Halbzeit von unserem Spiel abgekommen, haben zu viel mit dem Schiedsrichter gehadert. Dann bekommen wir ein dummes 1:0 und probieren dann alles – da kann man den Jungs keinen Vorwurf machen. Aber was für Druck? Wir haben noch – keine Ahnung wieviele – Punkte Puffer, spielen nächste Woche gegen Dresden mit den eigenen Fans im Rücken.”

Andreas Geipl zum Zweikampfverhalten: “Die erste Halbzeit waren wir gut im Spiel, bis auf die letzten 10 Minuten, wo wir vereinzelt zu viele Standardsituationen zugelassen haben. In der 2. Halbzeit haben wir dann offensiv nicht mehr so viel gemacht, waren mehr mit verteidigen beschäftigt und bekommen dann das 1:0. Nichtsdestotrotz sind wir auf einem guten Weg und stehen gut da, aber wir müssen schauen, dass wir nun punkten.”

Andreas Geipl zum Gegner: “Ulm steht defensiv sehr gut, natürlich sehr groß gewachsene Spieler überall am Feld, wo sie dann auch lange Bälle spielen können. Die sind aufgestiegen, konnten fast die gesamte Mannschaft halten. Dazu haben sie einen Individualisten, der ist sehr gut für diese Liga, da passt einfach das Gesamtpaket. (…) Nach dem Gegentor wird dann jede Kleinigkeit gepfiffen, dann wieder nicht – dann regt man sich auf, aber es bringt nix, denn wir müssen uns auf uns konzentrieren. Jeder muss sich auf seine Aufgaben konzentrieren (…) Dennoch war es für mich vor dem Gegentor ein klares Foul, dazu ließ er viel auf beiden Seiten laufen. Er hatte für mich keine Linie.”