1-1 gegen Ingolstadt: Ein Spieltag zum Vergessen

Der Stachel nach dem Unentschieden gegen den ungeliebten Nachbarn sitzt aufgrund diverser Gründe tief. Konnte man die Niederlage in Mannheim noch mit Verletzungen begründen, wirkt der Punktgewinn gegen den FCI insgesamt eher wie eine Niederlage. Es wird immer deutlicher, dass es kein einfacher Endspurt wird, vielleicht eher ein Marathon.

Vorgeplänkel

Michael Köllners Ingolstadt sollte eins der spielstärksten Teams der Liga werden. Das konnte man schon erwarten, wenn man den Etat des Kaders und die sportlichen Ziele des Vereins bedenkt. Nach einem etwas stotternden Start in der Liga und einer harten Niederlage gegen den Jahn pendelte man sich im Mittelfeld der Tabelle ein.

Ingolstadt ging wie erwartet im 4-2-2-2 ins Spiel, welches sich aber wie gewohnt etwas in seinen Strukturen im Spiel verändert. Keidel, Lorenz und Kayo kamen für Schlüsselspieler Fröde (Rot-Sperre), Malone und Kanuric.

Auch der Jahn hatte keine Überraschungen in der Aufstellungen parat, aber mit Gebhardt, Geipl, Schönfelder und Viet kehrten dann doch vier absolute Stützen in die Startaufstellung zurück, dafür wichen Weidinger, Eisenhuth, Bauer und Huth.

1. Halbzeit: Lange Bälle und schwaches Zweikampfverhalten

Schon früh im Spiel sah man das Konzept der Jahnelf: Den FC Ingolstadt kommen lassen und sie dann mittels schnellen Umschaltens überrennen. Nach anfänglichen Abtasten kam es dadurch in der 4. Minute zu einer Chance nach einem Ballgewinn durch Andreas Geipl, aber die hohe Flanke von Konrad Faber konnte Marius Funk festhalten. Geipl setzte Faber durch einen Heber hinter die Kette ein – ein wichtiges Mittel gegen den FC Ingolstadt, denn Michael Köllner setzt auf eine enge Abwehrkette, wodurch sich Vorstöße auf den Flügeln anbieten.

Der SSV Jahn war also schon früh in der Partie am Drücker, in der 10. Minute konnte Christian Viet nach einem Ballgewinn von Dominik Kother hinter die Kette gelangen, jedoch wurde es auch nicht gefährlicher. Der tiefe Ballgewinn und dann das Suchen der Tiefe, so schlug schon Viktoria Köln die Schanzer und so wollte es auch der Jahn. Auch in der 18. Spielminute kam man durch einen Einwurf in den freien Raum vor das Tor, aber Kother konnte nur schwach in die Arme von Funk schießen.

Was aber in dieser Phase immer wieder fehlte, das war der letzte Pass, so auch in der 20. Spielminute: Erst eroberte Benedikt Saller den Ball, löste sich dann mit einem Pass zu Viet aus dem Druck, der dann die Tiefe zu Kother suchte, aber der Ball war etwas zu lang. Besagte Floskel wird zwar oft bedient, aber in diesem Spiel steckte definitiv ein Stück Wahrheit drin. Gerade in der Jahn-Philosophie, wo der erste Pass auch oft der letzte ist, da kann man diesen Satz oft bedienen, vielleicht auch eine Herleitung, weswegen der Jahn am wenigsten angekommene Pässe der Liga spielt.

Die Stärke im Umschaltfußball habe ich immer wieder in dieser Saison angesprochen, ähnliches gilt für die Schwächen im strukturierten Spielaufbau. Wohl ein typisches Problem des “Powerfußballs”, oft feiern Mannschaften mit dieser Identität große Erfolge, aber schnell gelten sie als „entschlüsselt“. Ingolstadt störte den Jahn erst in zweiter Linie – das heißt, sie ließen Louis Breunig und Florian Ballas den Aufbau machen, stellten aber die Räume der Passwege zu, es folgten einige lange Bälle auf Noah Ganaus. Das Thema ist in einigen Trainerkreisen eine Thematik – wie umgehe ich Statik? Die Antwort ist oft Dynamik, auch beim SSV. So sollten Rasim Bulic und Christian Viet mehr Freilaufbewegungen in Richtung der Innenverteidigung setzen, um andere Räume zu öffnen oder den Ball zu empfangen. Was am Ende passiert, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass man den Gegner gewissermaßen vor Aufgaben stellt – das fehlte der Jahnelf gerade in den ersten 30 Minuten.

Die Schwächen im Aufbau nimmt man aber auch in Kauf, weil es gegen den Ball so gut auf der Sechs funktioniert. So war Bulic immer wieder essenziell, um schnelle Vorstöße zu verhindern. Wie er aus seiner Position herausrückt und den Zweikampf sucht, das lässt mein Herz immer wieder höher schlagen. In der 37. Minute konnte er aber jenen Vorstoß nicht verhindern, so konnte Mause nach einem Ballverlust durch Saller und einen langen Ball von Costly den Ball empfangen, daraufhin in die Mitte ziehen, aber sein Abschluss wurde geklärt. Im Rückraum stand aber Kayo, der weder bedrängt noch gestört wurde, und ohne Probleme zum 0:1 treffen konnte. Ein insgesamt unglückliches Tor, denn man fand in mehreren Situationen keinen Zugriff. Schon kurz nach Ballverlust hätte Breunig ins Gegenpressing gehen können, war aber zu vorsichtig, daraufhin stürmten alle so in Richtung eigenes Tor, dass man den Blick für den Rückraum verlor, wo dann Kayo stand. Ein Thema, welches wir ebenfalls schon mehrmals in dieser Situation hatten, mit dem tiefen Block möchte man zwar Stabilität erlangen, aber er wirkt auch nur, wenn man weiter aktiv bleibt und sich am Ball orientiert, nicht am eigenen Tor. Ich würde mir wünschen, dass man eine Mischung aus Stabilität und Aggressivität findet – denn wenn Breunig schon den Zweikampf sucht, dann wird der lange Ball zu Mause gar nicht erst gespielt.

Kurz vor der Halbzeit dann eine ähnliche Situation: Erneut über die rechte Seite durch Costly kam der Ball ins zweite Drittel, über mehrere Stationen kam der Ball zu Seiffert, welcher den Abschluss aus circa 16 Meter suchte, der Abpraller landete erneut bei Kayo, der alleine vor Gebhardt aber über das Tor schoss. Hier kann man Ähnliches wie beim Gegentor beklagen, aber auch die Körpersprache. So hätten zwar einige Spieler die Möglichkeit, die Chance gehabt, dass sie den Zweikampf suchen, aber sie trabten nur nach hinten, dadurch konnte Costly erst vordrängen. Es ist vielleicht nachvollziehbar kurz vor dem Pausenpfiff, diese Einstellung kann dir aber in dieser Liga auch sehr schnell zum Problem werden.

So ging es dann aber doch mit einem 0:1 in die Kabine. Auch wenn der SSV Jahn Regensburg immer wieder zum Umschalten kam, machte der FCI das Tor.

2. Halbzeit: Mit Traumtor zum Punkt

Der Jahn ist dann nach dem Pausentee besser aus der Halbzeit gekommen, schon in der 46. Minute konnte Geipl den Ball gewinnen und Schönfelder bis ins letzte Drittel vordringen, wo man eine Überzahlsituation vorfand. Was fehlte aber? Der letzte Pass. Was sich auch wie ein roter Faden durch das Spiel zog, waren die langen Bälle auf Noah Ganaus. Auf die Saison gesehen gewann er rund 67 % aller Kopfballduelle, der Trend geht dazu in eine positive Richtung, dennoch sind diese langen Bälle immer wieder ein Momentum-Brecher. Die Oberbayern konnten dadurch oft direkt wieder in Ballbesitz gelangen, auch weil sie ihre defensive Struktur etwas nach hinten verschoben, um Bälle hinter die Kette zu verhindern. Die Baustelle mit den langen Bällen ist eine Folge der Probleme im strukturierten Ballbesitz – beides kombiniert kostet den Jahn seit Wochen Punkte.

Nach diesem Ansatz war aber erstmal wenig los, beide Trainer wechselten, dadurch stellte Joe Enochs auf ein 4-2-4 um. Dieses System gilt als sehr offensiv, auch weil man viele Offensivkräfte ins letzte Drittel bringen kann, allerdings kann es durch eine falsche Positionierung der Zentrumsspieler sehr schnell zu Unterzahlsituationen kommen, dazu kann die Anbindung vom zweiten ins letzte Drittel dadurch leiden. Fortan versuchte Ingolstadt weiter das Zentrum zu verdichten, um so die Schwachstelle des Jahns zu bespielen. Infolge kippte einer der beiden Stürmer zunehmend ab.

Eben durch diese offensive Herangehensweise stieg aber auch die Anfälligkeit nach Ballverlusten. Geipl und Bulic rückten wegen der Unterbesetzung des Zentrums immer wieder mit auf, machten aber so die Räume vor der Abwehrreihe auf. Diesen nutzte auch Deichmann in der 65. Minute, zog Ballas aus der Kette und stand nach einem Doppelpass vor Gebhardt, schoss aber dann deutlich vorbei. Kurz zuvor konnte Keidel vor der Viererkette den Ball nach einem langen Ball empfangen und verfehlte das Tor nur knapp. Nachdem der Jahn einmal mehr sehr weit aufgerückt war und dann den Rückraum vergessen hatte, konnte Dittgen, durch einen langen Ball freigespielt, auf Lorenz ablegen. Lediglich der präzise Abschluss fehlte.

Durch die Umstellung auf ein 4-2-4 drang der Jahn immer mehr über die linke Seite vor, gerade weil sich Ingolstadt durch die hohe Besetzung des letzten Drittels mit dem Pressing schwer tat. Ein Angriff über links war es auch, der zur Ecke zum Ausgleich führte. Nach einer kurz herausgespielten Ecke legte Geipl in den Rückraum zu Bene Saller ab, welcher zu viel Platz hatte und so ins Kreuzeck zu einem „Samstagsschuss“ treffen konnte. Danach entwickelte sich eine intensive Schlussphase. Gerade Ganaus kam immer wieder über die rechte Seite gefährlich hinter die Kette, auch lange Bälle wurden durch das offene Visier beider Mannschaften deutlich gefährlicher.

Durch einige Unterbrechungen, kleinere Fouls und Ballverluste wurde es aber im Jahnstadion nicht mehr gefährlich und der SSV Jahn und der FC Ingolstadt trennten sich 1:1.

Fazit: Zusammen.

Ich liebe diesen Verein, ich stecke nicht wenig Herzblut in diese Jahnfamilie, aber die gestrigen Vorkommnisse inklusive der Diskussionen haben mich dann doch daran zweifeln lassen. Ich möchte aufgrund der Komplexität des Geschehens keine Worte dazu in der Sache verlieren, aber es sei gesagt: Leute, es geht nur zusammen. Wir sind eine Familie. Wir sind alle Steine in der Mauer und nur alle Steine zusammen machen eine Wand stark. Jeder Stein ergibt nur Sinn, wenn der andere auch da ist. Wir alle haben den Jahnsinn ins uns drin: Wir schreien, singen, lachen, weinen und ja wir schweigen auch gemeinsam. Ich möchte euch sagen, in jeder Familie gibt es mal Zoff, wichtig ist nur, dass man daraus lernt und nie den Respekt verliert.

Zum Spiel: Na gut, was machen wir aus der Partie? Eigentlich habe ich keine Ahnung. Es tut natürlich sportlich weh, aber es ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Körpersprache war im Vergleich zu Mannheim deutlich besser. Was mich ärgert, dass wir den Clownsfiguren aus Ingolstadt einen Punkt geschenkt haben, aber am Ende werden wir oben stehen. Ganz bestimmt.

Dennoch bleibt es insgesamt ein Spieltag zum Vergessen, denn der Abstand im Aufstiegsrennen schmilzt weiter, auch das Umfeld wirkt nach der Partie perplex. Halbwegs volle Hütte, schönes Wetter – eigentlich war alles angerichtet. Eigentlich.

Somit: Avanti Ratisbona – GEMEINSAM nach vorne!

Stimmen zum Spiel: „Wenn wir besser sind, dann haben wir auch die Chance zu gewinnen“

Joe Enochs zum 1-1: “Vor dem Gegentreffer können wir besser klären. Mit unserem Spiel mit dem Ball waren wir nicht unbedingt zufrieden. Das wurde in der zweiten Hälfte besser. Mit dem Wechsel zu einer Doppelspitze haben wir das Risiko erhöht. Ingolstadt blieb mit ihrer Klasse immer gefährlich. Mit ein Quäntchen Glück gewinnen wir die Partie. Ich bin trotzdem zufrieden, wie die Jungs nach dem Rückstand zurückgekommen sind. Schade, dass es nicht zu drei Punkten gereicht hat. Es war heute mehr drin, aber den Punkt nehmen wir aber so mit.”

Felix Gebhardt zum Punkt: „Ich finde, es war ein Mittelfeldspiel, Ingolstadt hatte wenig Chancen, nur in der zweiten Hälfte noch einen Kopfball, aber auch bei uns fehlte die offensive Durchschlagskraft in der ersten Halbzeit. Die zweite Halbzeit fand ich wurde besser (…) wir hatten mehr Chancen, hätten vielleicht das Tor machen können. (…) es war nicht einfach nach sechs Wochen Pause, es geht Stück für Stück.“

Konrad Faber zur Leistung nach dem Gegentor: „Wir haben in den letzten Wochen nach Gegentoren es oft nicht mehr so hinbekommen, sind auseinandergefallen und haben nicht mehr unser Spiel gefunden, da haben wir heute ein anderes Gesicht gezeigt. Wir zeigten wieder die Energie nach vorne, welche uns etwas abhandengekommen ist, deswegen sehe ich es als Punktgewinn. (…) der Anspruch ist aber das, dass wir das gesamte Spiel drehen, gerade im eigenen Stadion.“

Bene Saller zum Stellenwert des Ausgleichstreffers: „Ich glaube, dass das Tor heute extrem wichtig für uns war, dass wir eben wieder einen Ausgleich schießen, den wir uns aus 90 Minuten auch verdient haben. Am Ende hatten wir etwas zu wenig zwingende Torchancen (…) die Reaktion nach dem Gegentreffer war sehr gut. (…) ich hoffe der Knoten platzt sehr schnell, am besten nächste Woche. Es geht alles Spitz auf Knopf, wir müssen gierig bleiben. Wenn wir besser sind, dann haben wir auch die Chance zu gewinnen.“

Statistiken

StatistikSSVFCI
Ballbesitz50%50%
Torschüsse33
Torschüsse – daneben54
Fouls1622
Abseits12
Ecken73

Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images via Onefootball