„Die 3. Liga ist eine Fehler-Liga“

… sagte uns nach dem Spiel Gäste-Trainer Sascha Hildmann. Fehler gehören zum Leben, im Fußball ebenso. Der Jahn siegt durch zwei Tore von Dominik Kother, die unter nicht weniger Mithilfe gegnerischer Spieler zustande kamen. Am Ende kann man die 3 Punkte erneut in die Kategorie „Kampfsieg“ einordnen, dennoch ist nicht alles perfekt. (Fotos: Gatzka, Mitarbeit: Flo1889fm

Die Grundstrukturen des Spiels

Der SSV Jahn agierte wie gewohnt in einem 4-2-3-1-System, wobei es teils auch zu einem 2-4-1-3 wurde. Im Tor stand der im Rückenwind stehende Felix Gebhardt, davor agierten Bryan Hein, Flo Ballas, Louis Breunig sowie Konni Faber. Hein rückte in die Startelf, da Bene Saller gesperrt fehlte, dazu hatte er schon in den letzten Wochen überzeugt, somit ist dies ein folgerichtiger Schritt. Im zentralen Mittelfeld konnte man das eingespielte Trio aus Andreas „Kartengott“ Geipl, Rasko Bulic und auf der 10 mit Chrille Viet beobachten. In der letzten Reihe liefen Oscar Schönfelder sowie Dome Kother und dazwischen Noah Ganaus auf. Ihr werdet euch fragen, wieso diese drei Spieler als eine Einheit aufgezählt werden. Dazu gleich mehr.

Kampf der Kulturen: Dreierkette trifft auf Viererkette

Die Adler liefen anders als die Jahnelf mit einer Dreierkette aus Koulis, Kok, Scherder auf. Diese drei Verteidiger dienen als ballspielende Innenverteidiger, sollen das Pressing leiten und dadurch den Gegner herauslocken, später dann mittels lange Bälle überspielen. Als „holding midfielder“ agierte Bazzoli, der gerade für die Restverteidigung eine entscheidende Rolle spielt. Zuvor sah man eine Viererreihe aus Böckle, Mrowca, den technisch starken Kyerewaa und ter Horst. Die beiden Außenverteidiger agierten als Schienenspieler, welche gerade in diesem System als essenzieller Bestandteil gelten. Mit Batmaz und Wegkamp hat Preußen zudem eine Doppelspitze, die durch ihre enge Positionierung schon einige Gegner aus der Kompaktheit gebracht haben.

Der Spielbericht

Der Jahn drückte dem Spiel von Beginn an den Stempel auf, kam aber in der ersten Halbzeit kaum zu zwingenden Chancen. Kother (25. und 30.) hatte die besten Einschussgelegenheiten, zielte aber vorbei bzw. wurde geblockt. Das änderte sich nach dem Halbzeitpfiff. Plötzlich war Münster viel aktiver und zwang den Jahn in die Defensive. Münster-Toptorjäger Batmaz traf per Flachschuss bei der besten Münster-Gelegenheit nur den Pfosten (54.) und zielte wenige Momente später drüber (55.). Die Jahnelf musste sich kurz schütteln und schlug danach wirkungsvoll zurück: Der freigespielte Faber flankte von rechts, Viet verlängerte und der völlig freie Kother musste nur noch zum 1:0 einspringen (59.)!

Damit war der Spielverlauf in der zweiten Hälfte etwas auf den Kopf gestellt, doch der Treffer kam zum genau richtigen Zeitpunkt. In der Folge verwaltete der Jahn das Spiel besser und zwang Münster zu Fehlern: Einen davon nutzte der eingewechselte Diawusie, der einen Stockfehler von Kok ablief. Dieser konnte Agy als letzter Mann nur mehr per Foul stoppen – Notbremse und Rot (71.). Doch auch in Unterzahl blieb Münster gefährlich. Kurz vor Schluss musste Gebhardt noch einmal sein ganzes Können aufbieten. Batmaz verwertete eine Flanke per Kopf und Gebhardt brachte gerade noch seinen Arm dazwischen.

Bei einem Konter schien der Jahn den Deckel drauf zu machen. Der „Man of the Match“ Dominik Kother wurde über links geschickt, zog nach innen, verzögerte noch einen Moment und jagte dann den Ball ins rechte Kreuzeck – 2:0 (92.). Doch das war noch nicht das letzte Wort in diesem intensiven Spiel. Dieses gebührte den niemals aufsteckenden Gästen: Mit der allerletzten Szene des Spiels nickte Scherer eine Ecke von links ein – ärgerlich, doch nicht mehr spielentscheidend. Der Jahn gewinnt damit sein sechstes Spiel in Folge.

Offensivspiel: Flankenregen aus dem Halbraum und Überladung im Zentrum

Preußen hatte anfangs gut begonnen, insbesondere in den ersten 20 Minuten einige Offensivmomente der Jahnelf im Pressing ersticken lassen. Aber auch der SSV Jahn zeigte sich gut auf das Defensivspiel des Gegners eingestellt, bereits nach wenigen Minuten fiel auf, wie exzessiv die Halbräume durch die Flügelspieler besetzt wurden. Dadurch band man den gegnerischen Außenverteidiger an und öffnete Räume für den nachrückenden Außenverteidiger.

Eben jene Vorstöße über den rechten Flügel waren auch gegen Preußen wieder ein besonderes Merkmal. Rechtsverteidiger Konni Faber rückte früh im Spiel weit nach vorne, circa auf Höhe des zentralen Mittelfeldspieler Mrowca. Er bekam im Laufe des Spiels die Anweisung, die Mannorientierung im Zentrum zu kappen und dadurch diagonal abzukippen, um die langen Flügelläufe seitens Konni frühzeitig zu unterbinden.

Kam man dann doch mal über den Flügel durch, so zog man entweder invers in den Strafraum oder suchte bereits im Halbraum die Flanke. Großes Thema war hierbei die Besetzung der letzten Linie, denn schon im Spielaufbau versuchte man die gegnerische Fünfer-/Dreierkette personell zu neutralisieren. Durch die offensive Präsenz von Viet sowie die auf Höhe Innenverteidiger stehenden Flügelspieler war ein typisches Herausverteidigen nicht möglich und man wurde förmlich hineingedrängt. Oscar Schönfelder antizipierte oft Läufe hinter die Kette, um Räume zu öffnen und die Abseitslinie nach hinten zu verschieben. Ganaus, der sich ins Mittelfeld fallen ließ, zog einen der Verteidiger aus der Abwehrreihe und schuf so Lücken für Kother und Schönfelder, in die sie eindringen konnten, dazu war er im letzten Drittel auch ein entscheidender Ballverteiler.

Dadurch konnte man auch einen „Chaos-Effekt“ in das Offensivspiel bringen, aber auch die Boxbesetzung wurde damit automatisch erhöht. So konnte man im letzten Drittel bei Vorstößen im Halbraum erkennen, dass man schnell Flanken in die Box erkennen konnte, die meist Richtung langer Pfosten flogen. Anders als vor ein paar Wochen, sind diese Flanken kein Anzeichen von Planlosigkeit, sondern mehr Teil des Matchplans und eine feine Herausarbeitung des gegnerischen Systems.

Bei Ballbesitz sollen die Innenverteidiger in der Dreierkette das Zentrum abdecken und somit gegenüber direktem Spiel absichern. Das ballnahe Verschieben eines Innenverteidigers zur Deckung eines Außenverteidigers, der nach vorne schiebt, wird von einer Bewegung der beiden anderen Innenverteidiger zur Deckung begleitet. Diese Deckung gibt der Abwehrreihe das Selbstvertrauen, aggressive Defensivbewegungen zu machen, da sie weiß, dass sie hinten geschützt ist. Aber gleichzeitig werden Räume auf der anderen Seite geöffnet, welche der Jahn zwar bespielen wollte, es aber nicht zielstrebig genug machte. Vielmehr fokussierte man sich auf einen Flügel. Die allzeitige Präsenz der Außenverteidiger verleiht dem System auch einen gewissen defensiven Charakter. Die Außenverteidiger können sich zurückfallen lassen, um die Innenverteidiger zu decken und den Raum für den Gegner um die Abwehrreihe herum zu verringern. Dies nutzte der Jahn aus, indem er in den Halbraum schob und somit die Zuordnung zwischen AV und IV kappte.

Pressing – Knackpunkt oder Zweck erfüllt?

Pressing zeigt, wo eine Mannschaft wirklich steht. Es kann Spiele entscheiden und Gegner zerstören. Die gesamte defensive Stabilität steht und fällt mit Pressing. Der SSV Jahn orientiert sich seit Jahren am RB-Stil, man sieht den gegnerischen Ballbesitz als Chance und möchte ihn mittels aggressiven Angriffspressing stören. Dies bedeutet, dass man den Gegner A) im ersten Drittel schon attackiert und B) dass schon die Angreifer die ersten Verteidiger sind. Das A und O ist daher, dass jeder den Plan trägt. Presst schon der Flügelspieler falsch, dann kann es zu einem Gegentor führen. Es gibt ehemalige Spieler, welche diese attraktive Spielweise eher nicht mitgetragen hätten. Dies hätte man kompensieren müssen und die Gegenwart wäre eine andere.

Im Pressing spricht man oft von einem „Schema“, da es Handlungsabläufe sind, die aufeinander basieren und voneinander abhängig sind. Es gibt Trainer, die nur eine gewisse Struktur vorgeben, aber auch jene, die sämtliche Laufwege analysieren und einstudieren. Joe Enochs wählt wahrscheinlich einen Mittelweg, so wollte man gegen die Dreierkette von Münster mannorientiert anlaufen, wobei Ganaus, Viet sowie Schönfelder jeweils einen Innenverteidiger anvisierten. Zumeist schob auch ein Außenverteidiger mit in das zweite Drittel, um reagieren zu können, sobald die erste Linie überspielt wurde.

Auffällig war, dass man im Angriffspressing nicht auf einen Ballgewinn hinarbeitete, sondern mehr den Ablauf stören wollte. Münster setzte auf lange Bälle, diese sollten so gut wie möglich gestört werden. Man fokussierte sich dann auf die zweiten Bälle im Mittelfeld und daraufhin auf die Umschaltmomente. Thomas Kok schob im Laufe der Partie von der Innenverteidiger-Postion in den Sechserraum, dadurch entzog er sich der Mannorientierung von Chrille Viet. Auch das Kurzpassspiel war dadurch einfacher, man konnte mehr an Breite in der Innenverteidigung gewinnen und auch den Torwart mehr zentral einbinden. Der Jahn hatte in Folge Probleme, Münster konnte flache Seitenverlagerungen eingehen und auch schnell den Übergang schaffen.

Daraufhin konnte man aber höchstens mit Dribblings aus der Tiefe durch Kyerewaa gefährlich werden, aber man konnte die offenen Räume nicht gut besetzen. Vielmehr setzte man auf Wandspiel, wollte dadurch in der letzten Reihe einen IV aus der Kette ziehen und dann Räume öffnen. Der Jahn verteidigte so gut wie alles weg, dennoch darf man sich diese Fehler im Angriffspressing nicht erlauben, da diese Raumaufteilung gegen Gegner wie 1860 München in Gegentoren enden könnte.

Jahn-Cheftrainer Joe Enochs über…

…die Leistung in der zweiten Hälfte: „Die Rote Karte resultiert aus unserem hohen Anlaufen und weil wir auf Fehler lauern. Danach wünsche ich mir mehr Klarheit und eine schnellere Entscheidung. Die Möglichkeiten dafür waren da. Ich habe mich maßlos über den Gegentreffer geärgert. Ich wollte zu null spielen. Bis zur letzten Sekunde muss man hoch konzentriert bleiben, auch wenn wir natürlich das Spiel gewonnen haben.“

…die Probleme im Anlaufen: „In der ersten Halbzeit war das Anlaufen sehr ordentlich, aber dann ist der Gegner natürlich flexibel und zieht Kok ins Zentrum. Dann hatten wir ein paar Umstellungsprobleme in der zweiten Halbzeit, nach dem Tor mit den drei Einwechsler wurde es dann wieder besser und strukturierter.“

…die kommenden Wochen: „Wir werden nicht nachlassen, wir werden genau so weiter trainieren, wie wir es bisher getan haben und nicht einen Schritt weniger machen. Wenn wir das weiter so tun, dann sind wir schwer zu schlagen.“

Die Stimmen der Spieler

Konni Faber über das Spielglück: „Ich bin der Meinung, dass man dieses Glück hat, wenn man hart arbeitet. Und aktuell arbeiten wir einfach hart, wir knallen uns in jeden Zweikampf. Und dann haben wir einfach mal diesen Zentimeter Glück, dass er an den Außen- anstatt an den Innenpfosten geht (…), auch wenn es in 1–2 Situationen zu leicht geht. Es ist ein Prozess, wir können Sachen besser machen.“

Rasko Bulic über das Selbstvertrauen: „Wir freuen uns auch für die Fans, dass wir wieder gewonnen haben. Wenn man sieht, es war in der ersten Hälfte schwer, beide Mannschaften haben es gut gemacht, aber wir haben uns im Endeffekt in der zweiten Hälfte durchgesetzt. (…) Wir haben jede Minute Gas gegeben. (…) Die Brust kann noch breiter werden, muss sie auch.

Dominik Kother über seine Tore: „Beim ersten Treffer habe ich gelauert, dass der Ball nach Konnis Flanke verlängert wird. Er wurde von Christian Viet gut per Kopf weitergeleitet, sodass ich den Ball nur noch über die Linie drücken musste. Beim zweiten Treffer ziehe ich nach innen und ziehe einfach ab. Dass der Ball dann so hereingeht, freut mich natürlich.“


„Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“