Der Jahn spielt gut, Sandhausen trifft besser

Der Jahn kommt früh zu Chancen, kann danach die Flügel-Räume beherrschen – und kassiert dennoch zwei einfache Gegentore. Über den Spielaufbau der Jahnelf und die Szenen, die zu den Gegentoren führten. (Foto: Gatzka, Mitarbeit: Flo1889fm)

Nach dem Essen-Spiel nahm Joe Enochs gegen Sandhausen zwei Wechsel in der Startformation vor: Für Elias Huth stürmte Noah Ganaus und statt Tobias Eisenhuth begann Agy Diawusie. Die neuformierte Offensive startete sogleich schwungvoll in die Partie. Viet, Diawusie und Ganaus wirbelten ein ums andere Mal, unterstützt von einem kompromisslosen Mittefeld, die Sandhäuser Abwehr durcheinander. Ganaus (7.) und Viet (15.) hatten gute Gelegenheiten zur Führung.

Die kalte Dusche besorgte jedoch dann ein Ex-Jahnler: David Otto wurde bei einer Weik-Flanke sträflich allein gelassen und vollstreckte gekonnt mehr Hinterkopf ins Jahn-Gehäuse (18.). Der Jahn ließ sich davon nicht beeindrucken und stürmte munter weiter. Dabei hatte Ganaus (25.) wohl die größte Chance der ersten Hälfte, als er einen Querpass von Diawuse frei vor dem Tor ganz knapp verfehlte. Die Jahnelf war über die gesamte erste Halbzeit am Drücker, aber die Kugel wollte einfach nicht ins Tor. Sandhausen war weitgehend abgemeldet.

Nach der Pause war der Jahn weiterhin bemüht. Die größten Chancen zum Ausgleich hatte der eingewechselte Kother, der nach einer Kopfballverlängerung am zweiten Posten um Zentimeter verpasste (64.) sowie Minuten später mit einem Distanzhammer Rehnen prüfte (75.). Jedoch nahmen weitere Wechsel sowie die zunehmende Spielzeit dem Jahn etwas Druck aus dem Spiel. Als der SSV in der Schlussphase weit aufrückte, nutzte Hennings einen Konter zum 2:0 für Sandhausen (88.). Der Jahn warf danach noch einmal alles nach vorne, doch der Anschluss per Distanzschuss von Viet kam zu spät (93.). Die allerletzte Gelegenheit, eine Kopfballbogenlampe, entschärfte Rehnen mit seinen Fingerspitzen (94.).

Die Grundpfeiler im Spielaufbau der Jahnelf

Auf dem Papier standen sich am Samstag zwei ebenbürtige Gegner aufeinander. Beide Trainer setzten auf ein typisches Überladen auf den Flügeln, während aber Danny Galm die deutlich aggressivere Variante mit hoch stehenden Außenverteidigern sowie horizontal abkippenden zentralen Mittelfeldspielern aufspielen ließ. Anfangs noch mit einem 3-4-3, setzte er später auf ein 4-3-3, um sich auf den Jahn bestmöglich gegen den Ball anzupassen.

Enochs setzte im Aufbau auf ein symmetrisches 4-2-3-1-System, welches sich besonders dadurch auszeichnet, dass es sehr flexibel ist und man im Zentrum sowie auf den Flügeln ordentlich besetzt ist. Man versuchte immer eine gewisse Anzahl an Spielern vor dem Pressingwall zu haben, um dem aggressiven Pressing des Gegners auszukommen. Besonders zu beobachten war bei Sandhausen, dass der Auslöser teils das Abspiel zu einem IV war, und der Stürmer dann leicht seitlich aus dem Schatten angelaufen ist, um möglichst plötzlich aufzutreten, dies führte dazu, dass die Innenverteidiger zu langen Bällen greifen mussten, meist auf die Flügel.

Insbesondere in der ersten Hälfte konzentrierte sich der Aufbau auf das Duo Faber-Diawusie, die mächtig Dampf über ihre Seite machten. Bereits beim Abstoß arbeitete man auf das Flügelspiel, gerade die Innenverteidigung wird dabei eingebunden. Sie agieren im Laufe des Spiels mit dem Ball breit, aber vorwiegend auf einer Linie, dies soll auch Breite im Spiel erzeugen und die Linien des Gegners auseinanderziehen, dabei überspielte man oft die erste Pressinglinie des Gegners. Wurde der ballnahe Außenverteidiger zugestellt, dann band man Gebhardt mit in den Aufbau mit ein und man konnte sich wieder breiter positionieren.

Auch eine abkippende Sechs war mit Andi Geipl im Spiel vorhanden, er kippte vertikal zwischen die Innenverteidiger ab und hatte die Rolle als „Balltreiber“. Gleichzeitig wurde in diesen Aktionen das gegnerische Pressing geleitet, nachdem der Pressingwall angedribbelt wurde. Diese Situation wird gelöst, indem man einen langen Ball wählt bzw. eine Seitenverlagerung. Wieso macht man aber das? Man lockte den Gegner aus seiner Position heraus, möchte also Räume insbesondere im Zentrum öffnen, in die man beim „zweiten Ball“ stoßen kann. Sandhausen reagierte allerdings gut auf diese Aktionen und relativ schnell konnte man sie nicht mehr aus ihrem Pressing-System lösen.

Was ist aber eigentlich das Ziel des Aufbaus? Man möchte so schnell wie möglich vor das gegnerische Tor kommen, dies zeichnete sich mit vertikalem Passspiel sowie tiefen Läufen (speziell am Flügel) aus. Es erfordert an Vorsicht, um eine Restverteidigung herzustellen, gleichzeitig liegt es auch in der Hand der Spieler, dass man das Spiel verlagert, um dem Druck des Gegners zu entkommen. Die Kaderplanung ist darauf von A bis Z ausgerichtet, dennoch benötigt das Indoktrinieren dieser Philosophie an Zeit. Power-Fußball auf oberpfälzisch.

Christian Viets unorthodoxe Rolle

Auf den Flügeln zeigte sich durch die weiträumige Rolle von Chrille ein besonders Bild: Statt wie gewöhnlich nur vertikal abzukippen, ließ er sich gegen Sandhausen halbräumig fallen. Und das meist nicht erst im zweiten Drittel, sondern schon zu Beginn des Spielzugs, sprich er war sowas wie der Taktgeber.

Konnte er beim Abkippen ins Zentrum noch isoliert werden, konnte der Gegenspieler nicht auf den Flügel ausweichen, da er sonst Räume im Zentrum öffnete, die bspw. ein hoch schiebender Rasim Bulic nutzen könnte. Stattdessen schaffte man durch diesen Kniff etwas Chaos und Zuordnungsprobleme, gleichzeitig spekulierte aber Viet auch immer etwas und riskierte dadurch ein Loch hinter Ganaus. Der Stürmer kippte infolgedessen ab, musste diese „steil klatsch-Aktionen“ teils spielen und konnte daher in manchen Aktionen keinen tiefen Laufweg ansetzen. Letztlich versuchte der SSV die Flügel bzw. in den Halbraum durch Viet zu überladen, doch auf Sicht schien der Ansatz riskant, was die Verhinderung des Vorwärtsspiels durch die Mitte, insbesondere durch die Schnittstellen, beeinträchtigte.

Bei den Sandhäusern konnte man ein anderes Bild wahrnehmen: Die Flügelspieler standen extrem breit, dadurch kippten die zentralen Mittelfeldspieler in den Halbraum ab, wo sie Gegner anbinden konnte, während auch die Außenverteidiger sich ins Offensivspiel einschalteten. Es wirkte chaotischer (im positiven Sinne), aggressiver, aber auch riskanter.

Der Aufbau im zweiten und letzten Drittel

Im zweiten Drittel befindet sich der SSV Jahn oft im Zentrum, speziell Geipl trieb dort an, nachdem man flach den Ball aus der ersten Reihe erhalten hatte, daraufhin erhöhte sich die Geschwindigkeit im Aufbau rapide und das Spiel verlagerte sich in die Halbräume. Diese Bälle auf die Flügelspieler sollten die Dynamik nochmal erhöhen und sie in der Tiefe in ein 1 gegen 1 Duell bzw. schnell in die Box bringen. Um ein Vakuum zwischen den Linien zu verhindern, schob auch die Außenverteidigung hoch, nur die Innenverteidigung sollte absichern.

Im letzten Drittel konnte man dann erkennen, wie der berühmte letzte Schritt nicht gegangen werden konnte. In der Box angekommen, wurde der Passweg in Richtung 11-Meter-Punkt zugestellt und auch ein Schuss ist eher schwierig aus diesen Positionen, daher suchte man den Rückraum, wo die Besetzung eher ausbaufähig war. Auch das vorhin angesprochene Abkippen von Viet wurde nur teils ausgenutzt, so ist es ein taktischer Trend, dass man eine Seite überlädt und dann das Spiel verlagert, der Jahn nutzte diese Räume nicht.

Probleme hatte man auch mit dem Herausschieben des Gegners, so wollte man zwar sichtlich hinter die Kette gelangen, aber es fehlte schlichtweg der Raum dafür. So war es ein andauerndes Antäuschen und Ansetzen für einen Laufweg, aber wenn der Pass kam, dann wurde er vom ballnahen IV/AV abgefangen oder er war zu ungenau, wodurch die Dynamik verloren ging.

Meine Ideen für den Spielaufbau

Ich liebe Taktik, deswegen liebe ich auch Roberto de Zerbi, den Trainer von Brighton. Der Verein ist praktisch der neue Stern am englischen Fußballhimmel und stellt in allen Belangen Gegensätze zu den aktuellen Trends dar. De Zerbi wollte aus seiner Mannschaft eine Ballbesitz dominante machen und dennoch den Zug zum Tor nie verlieren, dies ist ihm auch gelungen.

Der unglaublich schnelle Tempowechsel mit dem Ball, vom buchstäblichen Stillstand zu einer atemberaubenden Passkombination, bevor er die letzte Linie mit einem dynamischen Vorteil angreift, ist wirklich erstaunlich. Man lockt den Gegner meistens schon am Abstoß an, einer der Verteidiger „tritt“ auf den Ball und lässt den Gegner anlaufen, es wird so oft wiederholt, ehe sich der Gegner ins Pressing wagt. Man möchte zwischen den Linien Raum kreieren und dabei diese durch Positionsspiel nutzen. Brighton stellt sich immer gut auf den Gegner ein, so möchte man immer numerisch gleich viel Leute in der letzten Linie haben, wie der Gegner in der Abwehrkette. Sprich es braucht Flexibilität und der Wille, sich auf jeden Gegner einzustellen.

“To start with, it’s not tiki-taka for the sake of it, it’s the end goal. The end goal is to create 4v4, 3v3 in a big space to go and hurt the opponents. […] The madness behind the methodology is: find the spare player. Draw the pressure, draw the numbers out, and then find the spare man.”

Adam Lalana

Man baut vom Abstoß mit einem 4-2-4 auf, dazu lassen sich die Außenverteidiger tief fallen, wodurch sie der erste Passweg sind, wenn der Gegner die Innenverteidigung aggressiv anpresst. Die Stürmer stehen im Halbraum, während die Flügelspieler extrem breit und hoch stehen – also perfekt eingestellt für eine Viererkette in diesem Fall. Ziel ist es, dass man die Linien des Gegners auseinanderzieht und immer numerisch auf dem selbem Level ist.

Ihre Prinzipien, Druck auszuüben und einen freien Spieler mit Blick nach vorne zu finden, werden hervorragend umgesetzt. Die Seagulls sind gut ausgebildet – und verfügen über die technischen Qualitäten – um mit jeder Situation umzugehen und schließlich das Ziel zu erreichen, die letzte Linie mit optimalen numerischen Bedingungen anzugreifen (siehe Adam Lallana).

Nun, was kann der Jahn davon lernen? 1. Die Raumaufteilung beim Abstoß ist beim SSV noch ausbaufähig, man lässt zwar das Pressing leiten, aber man erkennt keine Positionierung, um es auszunutzen. 2. Die Flexibilität fehlt im Spielaufbau der Jahnelf, man passt sich zu wenig auf den Gegner an und läuft daher Gefahr, dass man immer durch die gleichen Mittel wie einem tiefen Block des Gegners oder das Zustellen der Halbräume außer Gefecht gesetzt wird. 3. Die Positionierung des Stürmers ist beim Jahn noch nicht ganz ausgereift, so konnte man zwar vertikales Abkippen von Ganaus erkennen, aber dies war eher dem fehlenden Raum geschuldet. Denn sonst stand er immer auf der Höhe der letzten Linie, doch was bringt dies, wenn der Gegner so tief verteidigt, dass Bälle hinter die Kette unmöglich sind? So sollte man eher von Grund auf eine tiefere Position wählen und dann durch das Locken die tiefen Läufe setzen, die die geöffneten Räume anbieten.

„Wenn du nicht auf einem hohen Niveau spielst, macht er mit dir, was immer er will. Sie sind eines der Teams, von denen ich versuche, viel zu lernen.“, Pep über Roberto De Zerbi (Foto: OLI SCARFF/AFP via Getty Images via Onefootball)

Fazit

In gewisser Weise, muss sich Sandhausen schon wie ein eher glücklicher Gewinner fühlen, dennoch zeigen ihre Tore auf, dass sie sich gut auf den Jahn eingestellt haben und die Fehler ausnutzen konnten. Die Umstellung auf eine Viererkette sowie die vertikale und offensive Spielweise wurden belohnt, der Jahn geht aber trotz einiger Chancen über die Flügel leer aus. Auf die gute Leistung kann das Team von Joe Enochs aufbauen, im Spiel nach vorne bleiben weiterhin – entsprechend der auch rein zahlenmäßig geringen Torausbeute in dieser Saison – einige Baustellen auf dem Weg zu wirklich konstanter Durchschlagskraft. Auch defensiv schleichen sich immer wieder vermeidbare Fehler ein, die man offensiv nicht ausbügeln kann.

Trotz der Niederlage kann man aber mit einem guten Gefühl in die nächste Woche und ein richtungsweisendes Spiel gegen Aue gehen. Auch wenn die in weiten Teilen der ersten Halbzeit erstaunlichen Feldvorteile sich vielleicht stark aus der Dynamik und der Schläfrigkeit der Sandhäuser ergeben haben mochten, wie etwa den Problemen im Umschalten auf dem Flügel oder der Problematik mit dem mannorientierten Anlaufen im ersten Drittel, muss man genau diese Punkte erst einmal so konsequent ausnutzen, wie es der SSV Jahn dann tat. Beiden Mannschaften dürfte diese etwas eigenartige Partie aufschlussreiche Erkenntnisse, auch personell, gegeben haben.

Die Stimmen zum Spieltag

Konni Faber über den Chancenwucher: „Letzte Woche hatten wir noch Probleme, uns Chancen herauszuspielen, heute war das Gegenteil der Fall. Heute war eher das Problem nicht genutzt haben, gerade in der ersten Halbzeit hatten wir 3–4 Hundertprozentige, die wir dann vergeben. Das müssen wir dann besser nutzen, denn am Ende entscheiden die Tore die Spiele.“

Andi Geipl über die erste Niederlage in der Liga: „Natürlich schmerzt die erste Niederlage, gerade daheim. Wenn man das Spiel gesehen hat, dann denke ich, dass wir ein richtig gutes Spiel gemacht haben. Aber am Ende des Tages ist es eben leider so, dass wir keine Punkte mitnehmen dabehalten. (…) heute war einfach so ein Spiel, wo wir den Ball nicht reingebracht haben.

Joe Enochs über das bittere Spiel:Das Ergebnis zählt letztendlich, auch wenn wir besser gespielt haben, als in vielen anderen Spielen. Nach diesem Spiel stehen wir wieder in der genau gleichen Position wie vor dem Spiel. Dass das alles ein Prozess ist, der dauern wird, ist mir bewusst. Dennoch ist es unsere Aufgabe immer weiterzumachen und den nächsten Schritt zu gehen. Wir werden aus dem Spiel unsere Lehren ziehen und kommende Woche wieder neu angreifen.

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