I don’t care – I love it!

Kurzzeitig war man dabei das Spiel herzuschenken, doch am Ende beschert Noah Ganaus den lang ersehnten Heimsieg gegen den MSV Duisburg. Es war keine Glanzleistung, die 3 Punkte bleiben trotzdem in der Domstadt. (Foto: Gatzka)

Die Taktikanalyse: Das Spiel ohne Ball

Louis van Gaal prägte nicht nur den FC Bayern bis heute entscheidend, sondern die gesamte Fußballszene. Definiert man das Spiel nach seinen Spielphasen, dann hat man wohl alles abgedeckt: das Spiel mit Ball, das Spiel gegen den Ball, das Umschaltspiel nach Ballgewinn und das Umschaltspiel nach Ballverlust. Heute wollen wir uns das Spiel gegen den Ball sowie das Umschaltspiel nach Ballverlust genauer ansehen.

Feste Prinzipen im Pressing

Der SSV Jahn setzt auf einzelne einstudierte Laufwege im Angriffspressing:

Der Jahn presst mit einem Stürmer den ballspielenden Innenverteidiger, während sich der andere zwischen den Innenverteidigern stellt und somit einen Passweg zustellt. Der Innenverteidiger soll damit auf den Außenverteidiger abspielen, welcher dann aggressiv vom Flügelspieler angelaufen wird. (1.)
Daraufhin gibt es zwei Möglichkeiten für den Außenverteidiger: Er kann den zentralen Mittelfeldspieler anspielen, welcher aber von zwei Gegenspielern attackiert wird oder den Rückpass zum IV wählen, der ebenfalls zwei Angreifer vor sich hat. (2.)

Das 4-2-4-System ist im Pressing ein kompaktes Gebilde, dennoch brechen immer wieder Spieler für Zweikämpfe (aggressiv) heraus und „zocken“ auf eine Balleroberung. Dies tut man ebenfalls, damit man eine gewisse Chaossituation im Spielaufbau des Gegners erzeugt und sie vor schnelle Entscheidungen stellt.

Beispiel: Der Außenverteidiger gewinnt den Ball und spielt daraufhin auf den Innenverteidiger. Der Jahn konnte sich nicht bereits in das Pressingsystem bewegen, dazu nimmt der Flügelspieler das Momentum aus dem Lauf auf den AV mit und läuft so mit hoher Geschwindigkeit an.

Im Spielablauf rückte dazu Rasim Bulic mehrmals aggressiv aus seiner Position und attackierte einen zentralen Mittelfeldspieler des Gegners. Dies passierte meistens, wenn die erste Pressinglinie überspielt wurde und der Ball ins Zentrum gelangte. Aufgrund der personellen Unterlegenheit musste Bulic schnellstmöglich den Zweikampf suchen. Variationen gab es auch nach der Einwechslung von Noah Ganaus und Eric Hottmann, da mit Christian Viet jemand fehlte, welcher die Pendler-Rolle innehatte.

Vorher war es Christian Viet, der den Ball nach vorne tragen sollte, doch mit seiner Auswechslung entstand ein „Loch“, das gefüllt werden musste. So kippte ein Stürmer ab, um bei einem Ballgewinn ein schnelles Umschaltspiel auffahren zu können, dazu sollte es den Druck auf den ballführenden Gegner erhöhen. Somit ist der Effekt der 2. Spitze nur auf dem Papier gegeben, denn ohne Ball muss zwangsläufig jemand den offenen Raum bzw. die Viet-Position schließen. Die Rufe nach einer Doppelspitze sind vielmehr eine Verlagerung der Thematik, denn dröselt man die Sache auf, dann verpufft dieser Effekt, somit ist es eindeutig eine personelle und keine systematische Frage.

Die Intensität des Pressings ist allgemein hoch, dennoch wird es eher im losen Kollektiv durchgeführt. Es ist meistens eher situationsbedingt, wenn mehrere Spieler das Pressing suchen, ansonsten sind es eher einzelne Laufwege. So ist die Intensität beispielsweise im zweiten Drittel deutlich höher als im ersten, da man dort den Spielaufbau des Gegners nicht zulassen möchte. Auch „false Pressing“ wurde angewendet, um den Gegner psychologisch mit dieser scheinbar erhöhten Aggressivität einzuschüchtern. Darüber hinaus wurden taktische Fouls gezogen, insbesondere um den Umschaltmoment nach Ballverlusten zu unterbinden.

Der Jahn isolierte nicht etwa individuelle Spieler, sondern das gesamte Zentrum wurde nie aus den Augen gelassen. Um das Pressingsystem dadurch nicht zu stören, wurden die jeweiligen Gegenspieler rechtzeitig übergeben und man löste sich, wenn keine Gefahr (mehr) bestand.

Wurde das Spiel auf eine Seite verschoben, dann ist auch das gesamte Pressing-Konstrukt ballseitig „gewandert“, dies konnte man insbesondere durch die engen Ketten bewerkstelligen, allerdings lud man dadurch den Gegner zu Seitenverlagerungen ein. Damit die gegnerischen Ketten auseinander bleiben, wollte die Jahnelf die Verbindung vom zentralen Mittelfeld in die Offensive kappen. Durch die Unterzahl und den wenig verfügbaren Raum war ein Aufbau über das Zentrum somit schwierig.

Nach Ballverlusten wurde sofort das Gegenpressing und der direkte Zweikampf gesucht, dazu wurde der vertikale Passweg zugestellt, um ein schnelles Aufbauspiel zu verhindern. Dies wurde aber meistens individuell durchgeführt (meist vom Spieler, der den Ball verloren hat) und nicht etwa kollektiv, um eine bestimmte Anzahl an Spielern hinter den Ball zu bekommen. Gegenpressing gehört zur Spielphilosophie und ergibt sich größtenteils aus der hohen Spielweise.

Gerade die Außenverteidiger sowie die zentralen Mittelfeldspieler eilen schnell in ihre Position zurück, da dort die Achillesferse des Systems ist. Wird der Ball dennoch in einer brenzligen Lage verloren, dann versucht man instinktiv die Angriffsabläufe des Gegners zu unterbinden (dabei spricht man auch von Zeitdeckung), dabei zieht man auch taktische Fouls. Gleichzeitig bewegt man sich in das stabile 4-2-4-System und versucht mittels Mittelfeld- oder Abwehrpressing den Gegner zu stoppen.

Jetzt werden sich einige fragen, was ich andauernd mit meinem 4-2-4 habe, die Jahnelf spielt doch in einem 4-2-3-1. Jein, grundsätzlich sagt ja das Wort „System“ schon aus, dass es etwas Dynamisches ist und nicht nur eine Form hat. Somit spielt man im Pressing mit Veränderungen: Die Außenverteidigung schiebt hoch, evtl. kippt ein Sechser zwischen die Innenverteidigung ab und Christian Viet agiert neben dem Stürmer. Die Vorteile sind, dass man durch die große Besetzung in der ersten Reihe ein aggressives Angriffspressing auffahren kann und die Flügel, aber auch das Zentrum besetzt. Bei Abstößen des Gegners zieht man aber beispielsweise Rasim Bulic vor die Viererkette, damit man einen weiteren Spieler im letzten Drittel vorfindet, der über die Stärke in der Luft kommt, daraus ergibt sich ein 4-1-1-4.

Bei Ecken besetzt Bene Saller den kurzen Pfosten, obwohl er nicht gerade mit seiner Größe und/oder Kopfballstärke punkten kann, gleichzeitig wird der lange Pfosten teils vom Jahn ignoriert, dies lädt geradezu für Läufe aus dem Rückraum ein. In der Box setzt man auf Mannorientierung, dabei wird nach Größe „sortiert“, so sollte Bulic zum Beispiel Mai decken. Der ferne Raum davor wird abgesichert und man achtet auch auf kurze Anspielstationen. Um sich für einen Gegenkonter zu rüsten, positioniert man einen Stürmer ballfern auf einer Seite des Spielfelds.

Die Meinung zum Spieltag (Leander Hübner)

Nachdem die Zebras zu Beginn wenigstens ein- oder zweimal bei Felix Gebhardt vorstellig wurden, zeigte sich im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit dann doch, welches Team mit Rückenwind aus dem Saisonstart angereist war und unbedingt den ersten Heimsieg wollte, und welche Mannschaft vielleicht dringend Punkte gebrauchen kann, momentan aber einfach nicht das nötige Selbstvertrauen hat, um die zweifellos vorhandene Qualität auf den Platz zu bringen. Der Jahn lieferte, mit Ausnahme der beiden sehr guten Viet-Chancen, zwar kein Feuerwerk auf den Duisburger Kasten ab, erarbeitete sich aber ein sichtbares optisches Übergewicht. Folgerichtig fiel nach ziemlich genau einer halben Stunde Kother der Ball vor die Füße, der nach Schönfelders Schuss schneller als die ganze Duisburger Hintermannschaft schaltete und den Ball trocken an Müller vorbei ins Tor schoss.

Bezeichnend, dass die Duisburger bereits nach der Ballannahme des Jahn-Angreifers vehement Abseits und Handspiel monierten, dabei aber die Abwehrarbeit völlig vergaßen. Das im Grunde übers ganze Spiel sehr gut agierende Gespann rund um Schiedsrichter Nico Fuchs hatte aber völlig zurecht kein ahndungswürdiges Vergehen gesehen und so fand das 1:0 berechtigterweise Anerkennung. Was danach allerdings geschah, zieht sich bis dato wie ein rot-weißer Faden durch die Saison. Unterhaching, Langquaid, Bielefeld, Duisburg – Die Jahnelf kassiert nach Führung zu oft zu schnell den Ausgleich. Sicher, sowohl die Flanke von Bitter als auch der anschließende Abschluss von Stierlin waren gut gespielt, so ein Gegentor kann man sich mal fangen, nichtsdestotrotz gehört auch dazu, dass es vermeidbar gewesen wäre, wenn der Abwehrverbund, in dem Fall in Persona Andi Geipl den Kontakt zum Gegenspieler nicht verloren hätte. So oder so, man holte Duisburg damit bereits weit vor der Pause wieder unnötigerweise ins Spiel zurück. In der Folge war der Jahn zwar bemüht, kam aber in der ersten Halbzeit nicht mehr zum erneuten Führungstreffer.

Im zweiten Abschnitt hatten beide Mannschaften ihre starken Phasen. Das mögliche 1:2 verhinderte der sehr gut aufgelegte Louis Breunig nur mit einer beherzten Grätsche, der anschließende Kopfball ans Aluminium geschah dann aus Abseitsposition. Die Jahnelf tauschte indes zweimal und brachte mit dem sehr umtriebigem Diawusie und den Matchwinnern Hottmann und Ganaus noch einmal Offensivkräfte.

Letzten Endes war es wohl auch teilweise die individuelle Qualität, die das Spiel zu Gunsten der Regensburger entschied. Ganaus köpfte den Ball erst in der 70. Minute, nach Eckball, an die Latte, knapp 10 Minuten später hatte der Stürmer dann aber mehr Glück. Nach gutem Steckpass von Hottmann ließ er erst Mai ins Leere grätschen und legte den Ball dann cool an Müller vorbei ins linke untere Ecke. In der Folge hatte Ganaus noch weitere Chancen auf die Entscheidung, vergab diese aber. Die Gäste hingegen kamen in der Schlussviertelstunde quasi gar nicht mehr gefährlich vors Tor von Felix Gebhardt, insofern steht am Ende ein unterm Strich verdienter, wenn auch nicht gänzlich ungefährdeter, Heimsieg.

Die Noten zum Spieltag (Durschnitt der Redaktion)

Gebhardt: 3
Faber: 2,6
Ballas: 3,1
Breunig: 2,1
Saller: 3,6
Geipl: 3,6
Bulic: 2,8
Kother: 1,8
Viet: 3,5
Schönfelder: 3,5
Huth: 4,1
Diawusie: 2,3
Hottmann: 2,5
Ganaus: 1,8
Graf: 3,25
Eisenhuth:

Die Stimmen zum Spieltag (Julian Lindemann)

Elias Huth über den ersten Heimsieg: „Der erste Heimsieg fühlt sich sehr gut an, es war schön den ersten Sieg zu holen. Es war ein verdienter Sieg, wir haben in der zweiten Halbzeit nochmal den Druck erhöht und hatte viele Offensivaktionen.“

Noah Ganaus über sein erstes Tor im Jahnstadion: „Es ist schon ein wahnsinniges Gefühl in einem Heimspiel ein Tor zu schießen. (…) die Fans waren überragend und das haben wir uns jetzt auch verdient.“

Joe Enochs über die (überlaufenden) Außenverteidiger: „Auf der rechten Seite auf jeden Fall, da Konni diesen offensiven Drang als Rechtsverteidiger hat. (…) die Hoffnung war, dass sie die Stabilität wie gegen Bielefeld hereinbringen, und das war auch über große Teile des Spiels der Fall.“