Arminia Bielefeld im Taktik-Blick

Am Sonntagnachmittag kommt es am 4. Spieltag zum Duell der Absteiger zwischen Arminia Bielefeld und dem SSV Jahn. Beide Teams wurden nahezu neu zusammengestellt und nur noch einzelne Säulen wie Bene Saller oder Fabi Klos blieben. Kann Joe Enochs den Schlüssel in der Offensive finden oder sorgt Michael Kniat mit einigen ehemaligen Jahnspieler für den ersten Dämpfer? Wir wagen eine Vorschau. (Foto: Thomas F. Starke/Getty Images via Onefootball)

Personal und System

Am kommenden Spieltag kann man Arminia Bielefeld in einem 4-2-3-1-System erwarten, wobei es im Laufe der Partie auch Variationen gibt. Auch der Jahn wird in diesem System erwartet, man kann gespannt sein, wie es sich gegenübergestellt entwickelt. Insbesondere die Konstellation im zentralen Mittelfeld lässt Raum für Umstellungen sowie Taktikkniffe.

Beide Teams werden nach dieser harten englischen Woche rotieren müssen, hierbei liegt ein kleiner Vorteil bei den Arminen, da sie ein Heimspiel haben sowie schon am Dienstag ihr Spiel absolvieren durften.

Vorteile des Systems: Durch diese Anordnung der Spieler erhält man theoretisch ein hohes Maß an Flexibilität, da man sowohl im Zentrum als auch auf den Flügeln ordentlich besetzt ist. Es gibt Mannschaften, die spielen damit einen vertikalen Konterfußball, aber es wäre auch für einen kontrollierten, horizontalen Aufbau geeignet. Dazu erhält man Breite sowie Tiefe in der Offensive und durch zwei defensive Mittelfeldspieler ist die Restverteidigung gesichert.

Nachteile des Systems: Der Raum zwischen Außenverteidigung auf den Flügeln ist exorbitant hoch, dadurch entsteht ein Vakuum, welches im gegnerischen sowie im eigenen Spielaufbau gefüllt werden muss. Durch zwei „holding six“ fehlt teils ein kreativer Part im defensiven Mittelfeld, was insbesondere im Spielaufbau im zweiten Drittel bemerkbar wird, dazu entsteht zwischen der Defensive sowie der Offensive kein direkter Anschluss und ein offener Raum.

Über Shipnoski und Yildirim zum Sieg?

Im eigenen Drittel fällt schon nach wenigen Momenten auf, dass Torhüter Jonas Kersken aktiv in den Spielaufbau eingebunden wird. Davor steht eine breit aufgestellte IV, sie sollen mit langen Bällen in die Spitze das Mittelfeld überbrücken. Sie locken zielgerichtet den Gegner an seine Linien zu verschieben, um diese dann zu überspielen. Auch Sam Schreck lässt sich durch das Abkippen in den Aufbau integrieren, er soll auch ins Zentrum Kreativität bringen, dazu trägt auch Can Özkan bei, welcher sich horizontal abkippen lässt, um im Zentrum Überzahl im Spielaufbau zu generieren. Dadurch entsteht eine Dreierkette in der letzten Linie und somit auch eine Asymmetrie in der Außenverteidigung.

Nassim Boujellab agiert als zweite Sechs im Spiel von Kniat, allerdings wagt er deutlich mehr Vorstöße. Oft taucht er aus dem Nichts aus dem Schatten auf und bietet sich im Rückraum an, wodurch für den Gegner eine gewisse Chaos-Situation entsteht. Hinzukommend ist Boujellab der Umschaltspieler, bekommt er den Ball im eigenen oder im zweiten Drittel, dann wird häufig ein schneller Konter eingeleitet.

Vor den beiden defensiven Mittelfeldspieler steht Biankadi, welcher der Freigeist im letzten Drittel ist. Er agiert eigentlich immer ballnah und ist gefühlt überall im letzten Drittel unterwegs. Auffällig zu beobachten ist, dass wenn er im Halbraum steht, er oft den Doppelpass mit einem der Flügelspieler sucht und gleichzeitig damit einen Gegner anbindet, wodurch eine Überzahlsituation entstehen kann.

Aus dem Zentrum entsteht meist Gefahr, wenn man Chippässe auf die Flügelspieler spielt, diese kommen auch oft direkt aus der Innenverteidigung oder gar von Kersken. Shipnoski und Yildirim sind wohl die „keyplayer“ in der Taktik von Michael Kniat. Im letzten Drittel sind es sie, die durch ständige Positionswechsel für Flexibilität sorgen sollen. Zwischendurch tauschen die Flügelspieler untereinander, aber teils lassen sie sich direkt ins Zentrum zurückfallen, dazu rochiert man mit Wintzheimer und kreuzt die Laufwege. Sie suchen konstant den Weg in die Box und wählen nur sehr selten Flanken. Während Yildirim häufig mit Finten und Körpertäuschungen arbeitet, wählt Shipnoksi oft den tiefen Lauf, daher kommen die Pässe zu ihm oft direkt in die Schnittstelle.

In Sachen Standardsituationen fällt auf, dass sie Einwürfe sehr lang ausführen und auch eine hohe Boxbesetzung inklusive Inneverteidiger auffahren, dazu findet man bei Ecken eine Mischung aus einlaufenden sowie am 5-Meter-Raum stehende Spielern.

Man merkt also, dass es auch in diesem Spiel auf die Flügelpositionen ankommt. So läuft fast jeder Angriff über die ehemaligen Jahnspieler, also stehen Hein und Saller in diesem Spiel unter Dauerbeschuss.

Die Arminia gegen den Ball

Gegen den SSV Ulm zeigte man insbesondere eine schwache Leistung ohne den Ball, so verlor man (unter Druck) einige Bälle im Zentrum und es gingen einige wichtige Luftzweikämpfe verloren. Das Ziel der Arminen ist es, dass der Gegner zum langen Ball greifen muss und nicht flach über die Flügel aufbauen kann. So stellen die Flügelspieler die vertikalen Passwege der Außenverteidiger zu und laufen diesen an, währenddessen stellt der Mittelstürmer den ballnahen IV zu. Im Mittelfeldzentrum wird sich am Mann orientiert. Bei Verlieren des Balles, vor allem im Zentrum, kommt es zu einem individuellen Gegenpressing, wodurch das vertikale Spiel gestoppt werden soll.

Dort gibt es Probleme: Die Ballverluste im zweiten Drittel sind eher suboptimal, da der Gegner dadurch deutlich an Raum gewinnt und viele Möglichkeiten zur Chancenerarbeitung auffindet. Durch den tiefen Block, wenn der Gegner weit vorgerückt ist, entsteht ein Vakuum im Rückraum bzw. vor der Box, welche gerade bei herausrückenden defensiven Mittelfeldspielern zu einer Problematik werden könnte, dazu läuft man im letzten Drittel teils so passiv an, dass es durch das Nachrücken der Flügelspieler eine Unterzahl auf den Außenbahnen gibt. Dieser eh schon große Raum zwischen Außenverteidigung und Flügelspieler wird daher so groß, dass die AVs diesen schließen müssen, gleichzeitig wird aber hinten ihnen ein Raum frei, der durch lange Bälle sehr einfach zu bespielen ist.

Ist der Gegner am Flügel angekommen, dann wird durch die Außenverteidiger versucht, den Gegner am hinterlaufen zu hindern, dadurch entstehen allerdings viele Flanken. Ein weiteres Problem ist die gefühlte Passivität über weiten Strecken des Spiels, wo man gar nicht seine Pressingmomente bekommt und den Gegner einfach machen lässt, dies zog gegen Ulm die Linien auseinander und ließ einige Pässe hinter die letzte Kette zu.