Zwischen Neutralisation und Problemen im letzten Drittel

Der Jahn und Dortmund II spielten 90 Minuten unter ihren Möglichkeiten. Die Ursachen liegen auch im taktischen Bereich.

Beide Teams sind bekannt für ihren vertikalen Fußball über die Flügel sowie einer ähnlichen Philosophie im Pressing. Dennoch unterscheidet sich die Herangehensweise beim genauen Hinsehen: So ist der Spielaufbau der Dortmunder etwas mehr auf die Breite ausgelegt als der beim Jahn. Systematisch agierte der BVB in einem 4-1-2-3 bzw. einem 4-3-3 und der SSV Jahn wie gewohnt in einem 4-2-3-1.

Der BVB II setzte auf ein Mittelfeldpressing, während im Angriff noch eher ein konservativeres Anlaufverhalten zu beobachten ist. Auch der Jahn agierte aus dem Mittelfeld heraus, so rückte Rasim Bulic ballorientiert heraus, um so überdurchschnittlich viel Druck im wichtigen Zentrum zu generieren. Darüber hinaus hatte der BVB ebenfalls einen Matchplan für das Zentrum (später mehr), so stellte man vorwiegend die vertikalen Passwege der Jahnelf zu, um die tiefen Läufe sowie Schnittstellenpässe zu unterbinden.

Dortmund weitgehend Erfolgslos

Gruppentaktisch war man insbesondere defensiv gut auf den Gegner eingestellt, doch im eigenen Ballbesitz fehlten zunehmend Alternativen. Das typische Flügelspiel konnte man zwar in Ansätzen mit der Pärchenbildung des Außenverteidigers und des Flügelspielers erkennen, doch der Jahn konnte mit der Doppelbesetzung der Außenbahnen das Hinterlaufen der Flügelspieler unterbinden. Auffällig war ebenfalls, dass sich die Jahnelf ballnah verschob und der AV bewusst die Innenseite zum Gegenspieler suchte, damit dieser nicht durch das Zentrum schieben kann. Dies war eine Reaktion darauf, dass sich Dortmund II häufig mit Chipbällen in die Spitze aus dem Druck lösen möchte.

Nach der Halbzeitpause entfernte man sich zunehmend von den vertikalen Strukturen im Spielaufbau und setzte zunehmend auf horizontales Aufbauspiel. Durch den großen Abstand zwischen Außenverteidigung und den Flügelspieler fehlte teils der direkte Anschluss, daher verliefen die Bälle oft ins Leere oder wurden von der herausrückenden AV des Jahns frühzeitig antizipiert. Die Reaktion war, dass der Außenverteidiger herausrücken musste und daher einen Raum überließ, welchen der Jahn durchaus nutzen hätte können (siehe Angriff Diawusie kurz vor Ende). Gerade Elias Huth ließ sich teils in diese Räume fallen, damit er über einen Laufweg ins Zentrum einen weiteren Gegenspieler aus seiner Position ziehen kann.

Dortmund II setzte dazu ein durchaus erfolgreiches Gegenpressing auf: So pressen meist zwei Spieler aggressiv auf den Gegner, während ein weiterer den vertikalen Passweg zustellt. Die Folge ist, dass der SSV Jahn entweder den Ball in den eigenen Reihen durch horizontales/diagonales Spiel hält oder einen Befreiungsschlag wählt, aber die Vertikalität wird erstmal unterbunden. Im Mittelfeld wurde allerdings die im Angriff angesetzte Breite zum Verhängnis, bis man ins Pressing kam, konnte der Gegenspieler den Ball bereits weiterleiten durch den zur Verfügung stehenden Raum.

Nadelspieler Viet isoliert

Am Anfang klären wir den Begriff Nadelspieler: Er soll sich in kleinen, engen Räumen behaupten und so dem Pressing entkommen. Sie sollen nicht nur den Ballbesitz sichern, sondern eben auch direkt Gefahr ausstrahlen. Voraussetzungen sollte eine hohe Übersicht, eine sehr gute Technik sowie eine gute Beweglichkeit sein.

Speziell wenn Flügelkulturen wie in einem Spiel aufeinandertreffen, dann spielt das Zentrum eine essenzielle Rolle. Der Jahn versuchte es mit herausrückenden DMs oder IVs im Keim ersticken zu lassen, aber Dortmund pickte sich den Spielgestalter heraus und isolierte ihn über das ganze Spiel.

Hier kommt auch eine andere Thematik zum Tragen, so standen die beiden Sechser beim Jahn nie symmetrisch, einer agierte vorgeschoben, während der andere die Restverteidigung sicherte. Zuerst muss man sagen, dass dies ebenfalls in der Rückwärtsbewegung seinen Sinn hatte, da sich ein Spieler so (diagonal) abkippen lassen und auch mögliche Flügelläufe des Gegners unterbinden kann. Im Spielaufbau gesehen leitet meist einer den Spielaufbau über das Zentrum ein, insbesondere bei schnellem Umschaltspiel, um den Ball zu Viet zu bringen, welcher dann im letzten Drittel den vorletzten oder letzten Pass spielen soll.

Vor allem gegen Unterhaching hat dieses Muster noch ideal funktioniert, doch bereits gegen Magdeburg wurde dieser Angriffsablauf unterbunden. Christian Viets Laufwege wurden frühzeitig antizipiert und es orientierte sich immer jemand an ihm, sprich er muss zunehmend unkonventionelle Wege gehen, damit er sich lösen kann. Zwei Alternativen zeigte er uns bereits auf, so ließ er sich auf den Flügel oder weiter ins zweite Drittel abkippen, um sich dort frühzeitig den Ball „zu holen“. Doch somit wird die direkte Anbindung des zentralen Mittelfelds in den Sturm gekappt und es entsteht ein Vakuum, welches Elias Huth füllen muss, auch im Pressing wird es somit schwieriger.

Der Gegner löste also mit dieser Isolation eine Kettenreaktion aus, die sich bis in das Pressing des Jahns zog. Der größte Effekt ist aber, dass im letzten Drittel die Kreativität von Viet fehlte und somit oft der berühmte letzte Pass nicht ankam.

Der Aufbau durch das eigene Drittel

Im eigenen Drittel agierte der Jahn meist mit einem horizontalen Aufbauspiel, ehe sich Räume auf den Außen für einen tiefen Passweg ergaben. Derweil konnte man eine breite sowie symmetrische Innenverteidigung beobachten, welche als Köder für Pressing galt, um Räume zu generieren. Anders als beim HSV oder Magdeburg ist Felix Gebhardt nicht in eine „Torwartkette“ einbezogen, er steht überwiegend hinter der IV und wird angespielt, sollte das Pressing zu intensiv werden. Rücken sie heraus, dann werden sie vom letzten Mann des Gegners verfolgt, da er sich dann zwischen den beiden positioniert, um den Querpass zuzustellen.

Wird der ballnahe Außenverteidiger zugestellt, so dribbelt man auch auf den Pressingwall zu oder wählt einen langen Ball in die Spitze. Eine Absicherung dieser durchaus riskanten Gruppentaktik wird teils durch die Außenverteidiger durchgeführt. Allerdings wäre ein Ballverlust folgenschwer und würde bedeuten, dass der Gegner frei auf Felix Gebhardt zuläuft.

Man kann dazu eine hohe Außenverteidigung erkennen. Sie ist asymmetrisch aufgebaut und derweil entwickelt es sich zu einer Dreierkette. Die Flügelspieler reagieren auf diese Maßnahme und lassen sich zielgerichtet überlaufen, um den Pass in die Tiefe zu wählen. Durch die Gegneranbindung des Flügelspielers hat der Außenverteidiger meist viel Raum zur Verfügung, dazu kann man im weiteren Angriffsverlauf eine Pärchenbildung dieser beiden Spieler erkennen, dies führt dazu, dass man eine Seite überlädt, und dadurch an anderer Stelle bspw. im Zentrum Raum schafft. Bei einem Pass auf den gegenüberliegenden Flügel rückt er ein und läuft sich antizipativ vor der letzten Linie frei.

Im Laufe des Spiels konnte man auch mit Bulic einen abkippenden bzw. zurückfallenden Sechser erkennen. Ohne den Ball ließ er sich auch diagonal fallen, mit dem Ball aber nur vertikal. Dabei wurde eine Dreierkette mit den beiden Innenverteidigern gewählt, dies führte zwangsläufig dazu, dass man durch diese weitere Anspielstation weiter das Pressing des Gegners anlaufen und somit Räume für Mitspieler schaffen konnte.

Wie sich die Jahnelf aus dem Pressing löst

Wie bereits erwähnt, kommt es im Mittelfeld zu schwierigen Situationen, wenn der Gegner ein aggressives Gegenpressing auffährt. So wurden insbesondere unter Druck Seitenverlagerungen eingesetzt, nachdem man den Gegner bewusst gelockt hat, um die Raumorientierung mit einem Diagonallball auszuhebeln. Aber man setzt diese Verlagerungen auch flach über mehrere Stationen ein, um Räume für Angriffe zu suchen. Auch vertikale Chipbälle werden eingesetzt, um den Raum zu überbrücken. Hier folgt meist tiefer Laufweg eines Flügelspielers in das letzte Drittel, oft kann man das Muster Außenverteidiger → Flügelspieler erkennen.

In Drucksituationen kam die Jahnelf allerdings auch über Befreiungsschläge nicht hinweg, folglich begab man sich in das 4-2-4-Pressingsystem zurück und schaffte somit Stabilität. Bei konstantem Pressing versucht man es zunehmend mit horizontalem Spiel, wodurch man die Pressingläufe ins Leere laufen lassen möchte.

Fazit

Die Ausgangslage war deutlich komplexer als sich viele im Vorfeld der Partie ausmalten. Beide Mannschaften streben eine ähnliche Gruppentaktik an und beide legen Wert auf Intensität, also konnte man entweder ein Spektakel erwarten, oder eben ein mühsames 0:0. Tendenziell deutete die Jahnelf an, dass man eigentlich individuell sowie taktisch überlegen ist, doch die eingespielten Borussen hatten größtenteils eine Antwort auf die Fragen der Regensburger. Strategisch befindet sich Joe Enochs auf einem guten Weg, da er die Philosophie schon nach wenigen Wochen in die Köpfe des neuen Kaders bekommen hat und man viele Bausteine im Spiel des Jahns identifizieren kann. Nun geht es langsam aber sicher an den Schliff. Gegen Bielefeld wird sich zeigen, wie weit der SSV Jahn im Vergleich zu einer vergleichbaren Mannschaft wirklich ist.

Die Stimmen zum Spieltag

Konni Faber über das Spiel: „Erste Halbzeit war nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt haben. Unser Ziel war kein Gegentor zu bekommen und vorne unsere Nadelstiche zu setzen. Wir hatten aber in der Offensive zu wenige Torraumszenen und zu wenig Chancen nach vorne.“

Bene Saller über die zweite Häfte: „Die erste Hälfte war defensiv schon sehr gut, hatten auch gute Balleroberungen, haben ihn aber dann wieder zu schnell hergegeben (…) in der zweiten Hälfte hat man gesehen, wenn wir die Bälle an den Mann bringen, dann ist schon Tempo drin im Spiel und dann kommen wir schon zu Möglichkeiten.“

Joe Enochs über die Leistung: „Wir sind sehr zufrieden mit der Leistung, auch wenn wir uns wünschen, dass wir Heimsiege feiern. Die Stimmung war wieder überragend, die Jungs haben uns nach vorne gepusht und wir müssen uns irgendwann auch belohnen. Ich bin mir sicher, wenn wir dranbleiben, dann wird das der Fall sein.“