Rote Mauer kontert sich zum Sieg

Eine kleine Schwächephase kostet dem SSV Jahn fast den Sieg, doch am Ende beschert Konni Faber doch noch die ersten 3 Punkte der Saison. (Mitarbeit: Julian Lindemann)

Die Taktikanalyse zum Spiel

Das defensive Umschaltverhalten unter der Lupe

Nach Ballverlusten startete die Jahnelf vereinzeltes Gegenpressing, man stellte die vertikalen Passwege zu und verhinderte damit Konter. Dieses Gegenpressing ist taktisch bedingt, allerdings wird die Intensität von den Spielern selbst bestimmt, doch es steht unter dem Motto „Gegenkonter verhindern“. Dazu wird nach Verlust des Ballbesitzes der Rückkehr in ein 4-2-4 gesucht, damit man die Stabilität auf den Flügeln, aber auch im Zentrum aufrechterhält. Dieses 4-2-4 verschiebt sich ballseitig und die Reihen stehen sehr eng aufeinander, damit man Schnittstellenpässe in die Spitze verhindert.

Gewohntes Bild: Elias Huth steht versetzt und lenkt das Spiel auf die Außenverteidigung, welche als Auslöser für das Pressing gilt

Der Fokus liegt dabei ebenfalls auf der Breite, so wurde das Spiel wie gewohnt von Elias Huth auf die Außen gelenkt, damit man einen vertikalen Pass ins Zentrum verhindern und eine Pressingaktion durch die Flügelspieler starten kann. Huth war es auch, welcher beim horizontalen Aufbau der Verler die Innenverteidigung zustellte und sie so zu einem Spiel auf die Außenverteidigung zwang.

Im Umschaltspiel findet man dazu lokale Intensitäten vor, so eilt man bspw. im Mittelfeld deutlich schneller zurück in die Position als im Angriff. Warum ist das so? Damit Verl nicht über das Zentrum aufbauen kann, was der Jahn unbedingt verhindern wollte. Dies ist der Jahnelf gelungen, allerdings verlor man dadurch oft die Außen aus dem Blick und schenkte Raum her, da man sich automatisch verengt hatte.

Anfangs versuchte der Jahn noch den Ball schnell zurückzuerobern, allerdings veränderte sich dieses Verhalten mit den nach hinten rückenden Linien. Hingegen versuchte man den Gegner zu stellen und den Raum zu verknappen. Auch „false Pressing“ ist eine Option, hier wird eine Pressingaktion vorgetäuscht, um Zeit und Energie zu sparen. Im Grunde setzte Enochs auf ein konservatives Angriffspressing, aber auf ein intensives Mittelfeldpressing, wo man den Ball gewinnen möchte oder muss. Schon José Mourinho war der Überzeugung, dass man bei einem Ballgewinn im Mittelfeld die besten Aussichten auf einen vielversprechenden Angriff hat, da der Gegner dort am meisten ungeordnet ist. Grund dafür ist, dass man einen Umschaltmoment des Gegners ausnutzt und die frei werdenden Räume durch vorrückende Spieler benutzen kann.

Bei Standardsituationen setzt man auf eine Mischung aus Raum- sowie Mannorientierung. Die kopfballstarken Spieler werden gedeckt, ansonsten orientiert man sich mehr bei Ecken bspw. am 5-Meter-Raum. Dazu sichert die Außenverteidigung bei offensiven Standardsituationen ab, damit die Innenverteidiger mit in die Offensive rücken können.

In der Zweikampfführung kann man erkennen, dass man auch „aggressiv“ teils ein Zeichen setzt, um die Dynamik auf seine Seite zu ziehen. Wie bereits erwähnt liegt bei Zweikämpfen der Fokus auf die Passwegszustellung, daher wirkt es oft passiv. Man gewährte Verl dazu teils Ballbesitz, aber nur in horizontaler Form, bei vertikalen Pässen folgte sofort das Pressing.

Passive Phase in der Mitte des Spiels

Durch die Neigung, dass sich die Reihen beim Spiel ohne Ball nach hinten verschieben, entstand anfangs noch ein ungenutztes Vakuum seitens des Gegners, welches aber dann doch bespielt wurde. Beim Gegentor fällt auf, dass Verl außergewöhnlich hoch aufbaut und Viet plötzlich unkoordiniert anrennt, seinen Raum offen lässt, welcher dann durch den Vorlagengeber genutzt wird. Auch die Abstände zwischen den Spielern wurde großer, wodurch auch das Zentrum bespielbar wurde.

Diese Feinheiten haben das Spiel (fast) gekippt, dazu änderte sich die Dynamik nicht zugunsten des Jahns. Die Pressinglinie der Jahnelf bestimmte also mehr oder weniger das Kräfteverhältnis in der Partie. Zum anderen verlief das Offensivspiel in dieser Phase erfolglos. Lange Bälle blieben zu ungenau und das Bild erinnerte teils an Haching. Vereinzelt wurden Seitenverlagerungen angesetzt, die Flexibilität in das Spiel der Jahnelf brachten, aber sie wurden letztendlich nicht häufig gewählt. Die beiden Flügelspieler wirkten dazu nicht eingebunden und agierten zu tief, weil Verl so weit aufrückte, dass man defensive Unterstützung leisten musste. Um sich wieder zu lösen, suchte man teils auch im Halbraum Zuflucht und schaffte so Raum für andere Mitspieler.

Der tiefe Block hatte am Ende doch die erwartete Lösung parat. Nach einer Raumverknappung schnappte sich Schönfelder den Ball und nutzte den Raum, (siehe oben) den der Gegner im Mittelfeld hinterlassen hat und konnte Faber in Szene setzen, welcher zum Sieg einschob. Faber löste sich rechtzeitig vom aufgerückten Außenverteidiger, Schönfelder nutzt den Raum und findet den perfekten Moment für den Pass. Ein Konter, auf den sogar Jürgen Klopp stolz wäre.

Also: Am Ende geht der Plan auf, doch man muss verhindern, dass man das kompakte Verhalten durch diesen tiefen Block vernachlässigt und dadurch Räume herschenkt.

Die Stimmen zum Spiel

Konni Faber über die Erleichterung: „Ich freue mich richtig krass für unser Team, dass wir uns dieses Mal mit Punkten belohnt haben. Es war vielleicht nicht das beste Spiel, aber es ist uns vor allem letztes Jahr auf die Nerven gegangen, dass wir gute Spiele gemacht haben und uns nicht belohnt haben. (…) deswegen bin ich umso stolzer, dass wir es heute mal geschafft haben.

Konni Faber über die Arbeit in den kommenden Tagen: „Vor dem Tor waren wir ein Stück weit zu passiv, wenn wir die Bälle gewonnen haben, dann haben wir sie zu einfach hergegeben. Wir brauchen da mehr Ruhe, wenn wir die Bälle gewinnen und müssen dann die Übersicht behalten.“

Bene Saller über sein Tor: „Wir haben den Gegner analysiert und wussten, dass sie extrem auf eine Seite schieben. (…) nach dem Pass von Chrille wusste ich dann schon, dass ich viel Platz habe und dann war der Schuss auch ganz gut.

Der nächste Gegner im Taktik-Blick

Am Mittwoch geht es schon wieder weiter, daher stelle ich direkt den nächsten Gegner vor: Borussia Dortmund II.

Bei Zweitvertretungen weiß man nie so richtig, was einen erwartet, doch systematisch kann man am Mittwoch ein 4-3-3 erwarten, welches in ein 4-2-3-1 übergeht. Dadurch ergibt sich viel Raum zwischen Außenverteidigung und Flügelspielern, dazu fehlt eine direkte Anbindung vom Mittelfeld in den Sturm.

Taktisch gesehen gibt es beim BVB II nur ein Stichwort: Flügelspiel. Gerade die tiefen Läufe hinter die Kette werden aktiv gesucht und sollen die Antwort auf alle Fragen sein. Gut möglich, dass auch hier Joe Enochs einen tiefen Block auffährt, damit man eben diese Pässe abfängt. Die Innenverteidiger bauen das Spiel auf, welche dann auf die Außenverteidiger abspielen, die dann diese Pässe auf den Flügel spielen. Im letzten Drittel angekommen suchen die Angreifer aktiv den Rückraum, um sich von den tiefen Gegnern zu lösen. So soll zumindest die perfekte Version aussehen, doch die Realität sieht teils anders aus.

Der SSV Jahn wird versuchen, diese Spielzüge früh zu stören, doch Pudel und Blank sind ballspielende Innenverteidiger und lassen den Gegner bewusst anlaufen, damit man Räume schafft. Man baut sein Spiel also mit horizontalen Querpässen auf, ehe sich Räume auf den Außen ergeben. Die Außenverteidigung schiebt im Laufe des Spiels hoch und die 8er lassen sich in den Halbraum fallen, hierdurch möchte man Überzahl im letzten Drittel schaffen. Durch dieses Verhalten entsteht eine ausbaufähige Restverteidigung, die der Jahn durch sein schnelles Umschaltverhalten nutzen kann.

Presst der Gegner, dann bildet man eine 5er-Kette, indem sich Pfanne zwischen die Innenverteidiger abkippen lässt. Presst man aber selber, dann stört man den Gegner früh und drängt ihn zu langen Bällen oder auf die Außenbahnen. Das Zentrum wird aktiv zugestellt, also eine ähnliche Herangehensweise wie der Jahn. Das Gegenpressing ist allerdings deutlich aggressiver als bei der Jahnelf und wird nicht nur individuell durchgeführt, sondern im Kollektiv.