Erwartbare Schwierigkeiten und hohe Stabilität

Letzte Saison noch in der 2. Bundesliga, aber heuer im DFB-Pokal. Diese Saison haben sich die Rollen der beiden Mannschaften grundlegend geändert, während der Jahn in die 3. Liga abgestiegen ist, hofft man in Magdeburg insgeheim mit der ansehnlichen Spielweise vielleicht sogar auf mehr als nur den Klassenerhalt. Beide Mannschaften standen stabil und hatten erwartbare Schwierigkeiten. Am Ende ging dennoch der FCM als Sieger vom Platz.

Die Taktikanalyse zum Spiel

Der Jahn agierte mit dem Ball in einem 4-2-3-1, während man sich ohne den Ball auf ein 4-2-4 umstellte, da Christian Viet aktiv am Pressing beteiligt wurde. Bei Magdeburg zeigte sich ein anderes Bild. Auf dem Papier spielte man mit einem 4-3-3 System, aber eigentlich wurde es am Ende eine Zweierkette, da die Außenverteidigung sehr hoch schob.

Erfolgloses Flügelspiel

Magdeburg wählte dieses System mit bedacht, es ist optimal für Spielkontrolle sowie Ballbesitzfußball geeignet, da sich fast auf dem gesamten Spielfeld eine Dreiecksbildung möglich ist. Beim letzten Aufeinandertreffen führte dies aufgrund des ungeordneten Gegenpressings der Jahnelf zu Unterzahlsituationen, aber dieses Mal war es nicht so eine Katastrophe, was sich in der guten Analyse von Joe Enochs widerspiegelt.

Analysiert hat man ebenfalls, dass ein 4-3-3 einen großen Raum zwischen den Flügelspieler und der Außenverteidigung hinterlässt, den man nutzen muss. Die Aufgabe des zentralen Mittelfelds war, dass man in diesen offenen Raum stößt und somit einen Gegenspieler aus seiner eigentlichen Mannorientierung zieht. Daher bekommt der Flügelspieler des Jahns einen Vorteil gegenüber der Außenverteidigung, welche überladen wird.

Vor allem das hohe Schieben von Bryan Hein führte zu Problemen im letzten Drittel der Magdeburger, da er mit Dome Kother sowie Chrille Viet eine Dreicksbildung vornehmen konnte und sie so Überzahl am linken Flügel hatten. Auch bei Abstößen konnte man dies erkennen, so verschob sich die gesamte Mannschaft auf eine Seite des Spielfelds und es wurde Rasim Bulic anvisiert, welcher dann auf einen der beiden Mitspieler hinter sich weiterleiten sollte.

Quelle: tacticalista

Konni Faber schaltete bei Eroberung des Balles sofort um und leitete einen Konter ein, doch oft hakte es schon am Übergang vom ersten ins zweite Drittel. Verliert man in dieser Zone den Ball, dann ist die Chance auf einen Gegenkonter exorbitant hoch (siehe Gegentor). Im letzten Drittel wirkte der Jahn oft zu planlos und mit zu wenig Selbstvertrauen. Polemisch gesagt: Man spielt lieber geduldig, auch wenn die Schussbahn frei ist. Aber dieses Verhalten kann sich über die Saison lösen, muss es auch.

Alleine mit dieser Begründung zu arbeiten wäre aber zu wenig, es gibt auch taktische Gründe für das erfolglose Flügelspiel. Magdeburg besetzte die Flügel auch defensiv doppelt und konnte somit die Überzahlsituationen des SSV Jahns weitgehend unterbinden. Titz nahm den Matchplan schon nach wenigen Angriffen auseinander und stellte frühzeitig um, dadurch konnte man auch eine Variation über das Zentrum verhindern.

Erst nachdem sich die Defensivstruktur des Gegners zu Ende der Partie langsam gelöst hatte, konnte man durch bspw. Diawusie die gewünschten Nadelstiche setzen und war plötzlich sehr variabel und strotze gerade so vor Selbstvertrauen. Man war auf Chaos angewiesen und konnte so zu spät reagieren.

Schwachstelle Außenverteidigung

Im Zuge einer solchen Konstellation wurde seitens Titz angewiesen, dass man Hein bei Ballgewinn sofort unter (Gegen)pressing setzt und dem unsicheren Außenverteidiger somit wenig Luft zum Atmen lässt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass Hein lediglich eine Passquote von 10 % hatte, nur 3 von 8 Zweikämpfen für sich entscheiden konnte und 18-mal den Ballbesitz verlor. Bene Saller überzeugte zwar im Kurzpassspiel, aber er zog zu häufig den langen Ball, wodurch er den Gegenschlag vorprogrammierte.

Die Außenverteidigung ist oft die erste Stelle für ein Pressing des Gegners, da hier oft ein Angriff des Jahns begann. Dieser Auslöser ist bekannt, dennoch wirkten Hein sowie Saller oft überrascht. „Attacking full-backs“ sind laufstarke Außenverteidigung, die sich ins Offensivspiel einschalten und somit für Überzahl sorgen.

Quelle: Sofascore

Für diese Rolle sind die offensiven Fertigkeiten nicht gerade unwichtig, aber haben Hein und Saller diese? Es ist fraglich, da beide viele Zweikämpfe im zweiten bzw. letzten Drittel verlieren und sich damit im Endeffekt ihr eigenes Grab schaufeln. Bei Bene wurde eine Schwäche im Offensivbereich wohl erkannt, er spielt zunehmend traditioneller und reiht sich bei Angriffen Heins neben einem Innenverteidiger ein.

Die Folge nach solchen Ballverlusten sind Umschaltsituationen für den Gegner und Chaos, da ja ein Spieler in der 4er-Kette kurzzeitig fehlt. Am Ende muss man sich fragen, ob man den Tod der defensiven Stabilität für eine weitere Anspielstation auf dem Flügel sterben möchte.

Isolation des Zentrums

Gegen den Ball agierte man in einem 4-2-4, damit man das Zentrum isoliert und dennoch eine Mannorientierung auf den Außenbahnen aufsetzen kann. Dies funktionierte gut und man konnte dem vertikalen Spielaufbau weitgehend entkommen. Durch die ständigen Positionsänderungen der Magdeburger musste sich auch die Regensburger Zuordnung ständig anpassen. Phasenweise wurde sich auch am Raum orientiert, da man bei Seitenverlagerungen des FCMs auch das gesamte Konstrukt auf die jeweilige Seite verschob.

Quelle: tacticalista

Dadurch wurden die Reihen zeitweise zu eng und Spieler wie zum Beispiel Baris Atik konnten deutlich an Raum gewinnen. Es war also immer auch ein Spiel mit dem Feuer. Atik fühlte sich sichtlich nicht wohl mit dem Abwehrverhalten der Jahnelf und wechselte im Laufe des Spiels mehrmals die Seite. Rasim Bulic agierte hier als auf die Seite abkippender Abräumer, dazu sollte er Atik nicht ins Spiel kommen lassen.

Ceka und Atik sind brandgefährlich, da sie immer diese Steckpässe spielen. (…) wir wussten, dass Reimann extrem weit nach vorne kommt und eine Art Spielmacher spielt. Wir wollten die richtigen Momente heraussuchen, wo wir anlaufen.

Joe Enochs über dieses Verhalten

Durch diese Isolation wurde das Spiel des Gegners zunehmend holpriger und es fehlte sichtlich an Ideen, wie man den Jahn aushebeln kann. Man wartete schlussendlich einfach ab, bis die Hintermannschaft der Jahnelf den ersten Fehler machte und legte sich derweil immer wieder aufs neue den Jahn zurecht.

Eintracht Braunschweig hatte kein Konzept für den besonderen Spielaufbau der Magdeburger und man wurde regelrecht auseinandergenommen. Der SSV Jahn hingegen hatte immer eine Antwort, verteidigte kompakt und entschlossen, ehe man sich durch einen Fehler im eigenen Spielaufbau in Schwierigkeiten brachte.

Dynamik am Kipppunkt

Die Dynamik eines Spiels kann im Spiel oder auch davor beeinflusst werden. Vor der Partie hat man sich sehr gut (insbesondere defensiv) auf den Gegner eingestellt, sprich man konnte sie lange auf die eigene Seite ziehen. Doch im Laufe der Partie wirkte die Jahnelf zunehmend müder und nicht mehr so aktiv.

Bis zum 0:2 war das Anlaufverhalten hoch, dazu die Intensität der Zweikämpfe enorm. Titz hat, wie vorhin erwähnt, seine Mannschaft im Laufe der Partie an die taktische Herangehensweise des Gegners eingestellt und man merkte förmlich, wie es immer mehr auf deren Seite übergeht. Währenddessen spürte man beim Jahn eine immer gleiche Statik und die Spielzüge gingen schon nach wenigen Stationen zu Ende. Kurzzeitig fehlte nicht nur der Glaube, sondern auch der Kampf und das Spiel stand vor der Entscheidung.

Durch das Tor durch Dominik Kother allerdings drehte sich die Dynamik um 180 Grad und plötzlich war das Vertrauen wieder da. Doch hier stellt sich die Frage, darf man einen solchen Wachrüttler überhaupt brauchen oder muss man in einer solchen Partie nicht immer zu 100 % aktiv sein? Es bleibt auf alle Fälle ein ungutes Gefühl und weckt auch Erinnerungen an letzte Saison, wo man durch solche Phasen “haufenweise” Spiele verlor. Am Ende fehlten kurzzeitig die Lösungen, wie man wieder ins Spiel kommt.

Doch die Wahrheit ist auch, dass wir Spieler im Kader haben, die vorangehen und alleine mit ihrer Ausstrahlung das Team mitreißen. Dazu war die Stimmung auf der HJT enorm, und dann geht dies auch auf die Spieler über. Nach dem Anschlusstreffer merkte man, dass der 12. Mann eben nicht nur eine Floskel ist.

Die Einwechslung von Agy Diawusie ist ebenfalls ein gutes Beispiel, wie eine Einwechslung oder eine Rollenänderung die gesamte Spieldynamik ändern kann. Plötzlich wirkte die stabile letzte Reihe anfällig und der Jahn war sehr nahe am Ausgleich. Letzte Saison fehlten diese Spieler, die du bringen kannst und die sofort einen Effekt zeigen.

Magdeburg mit typischen Mustern

Am Ende der Taktikanalyse möchte ich mich noch kurz dem Gegner widmen, der in meinen Augen zwar nicht alles abgerufen hat, aber dennoch überzeugte.

Wie erwartet agierte man mit Bell Bell sowie Bockhorn sehr breit und ließ sie hoch schieben. Sie wurden aktiv in den Spielaufbau eingebunden und sie sollten den Ball entweder ins zentrale Mittelfeld oder auf den Flügel weiterleiten, dazu trieben sie auch selbst mit dem Ball an und überliefen. Das zentrale Mittelfeld schafft Raum für die AV oder die IV, indem sie Gegenspieler aus der Mannorientierung ziehen. Reimann präferiert kurze Abstöße und ist ein essenzieller Bestandteil des Spielaufbaus, hier setzt man auf eine 3er-Kette inklusive des Torwarts, der sich zwischen die Innenverteidiger positioniert.

Im Spielaufbau wird vor allem vertikal agiert, hier sucht man seine Spielmacher wie Baris Atik. Klappt es mit kurzen Pässen nicht, so setzt man auf Chippässe hinter die letzte Reihe (siehe 0:1), dazu wird im letzten Drittel sehr viel mit Ablagen gearbeitet. Der Rückraum wird hinzukommend aktiv gesucht.

Die Stimmen zum Spieltag

Konni Faber zur Niederlage: „Die Chancen waren da, der Klassenunterschied war nicht so sehr spürbar. Ich glaube, wir haben ein gutes Spiel gemacht und hätten auch mehr verdient gehabt. (…) es läuft im Vergleich zu den Spielen davor auch einiges besser, aber es fehlt noch etwas die Kaltschnäuzigkeit. (…) das sind Chancen, die bekommst du einmal und die musst du hineinmachen.“

Dominik Kother über den Ligaunterschied: „Ich glaube nicht, dass es das ist. Wir müssen einfach die Dinger machen, wenn wir die Chancen haben.“

Joe Enochs über die Kadersituation: „Wir hätten es vielleicht probieren können, aber wir wollten das Risiko nicht eingehen. (…) Ziege kommt die Tage zurück, von daher sind wir gut aufgestellt. (…) Ich bin sehr stolz auf das Team, das auf dem Platz stand.“

Die Noten zum Spieltag