Taktikecke: Mein neuer Jahn

Nach dem Abstieg in die 3. Liga musste der Jahn seinen Kader runderneuern. Aufgrund der veränderten Ligazugehörigkeit und des frischen Personals entstand in den letzten Wochen ein neuer Jahn, wie wird dieser aussehen? Eine Analyse, verbunden mit Wünschen und Idealen. (Foto: Karina Hessland-Wissel/Getty Images for DFB via Onefootball)

1. Ein neues System
Das 4-4-2 in einer Beispielbesetzung

Eine neue Personalsituation erfordert zwangsläufig auch eine neue Herangehensweise im Bereich der Strategie und des Systems. In der jetzt abgelaufenen Saison spielt man meist in einem 4–2–3-1 System, welches aber auch zu einem 4-2-4 werden konnte. Die aktuellen Transfers deuten auf ein 4-4-2 hin, da man die Außenbahnen nicht mit offensiven Flügelspielern besetzt hat, sondern mit traditionellen Außen. Diese besitzen anders als letzte Saison eine defensivere Spielweise und sind eher typische Schienenspieler. Dadurch kann man sie eher auf Höhe des zentralen Mittelfelds erwarten, wodurch sich diese 4er-Reihe bildet. Im Laufe des Spiels verändert sich das Bild natürlich, dazu aber im Laufe des Artikels mehr.

1.1 Das offensive Umschaltverhalten

Im offensiven Umschaltverhalten rücken die Außenverteidiger in das Zentrum, da ein ZM in die Innenverteidigung übergeht, als Folge muss sich auch Viet mehr mittig positionieren. Er soll in dieser Phase als Spielmacher agieren und mit seiner Übersicht das Spiel lesen, dann Spielzüge forcieren. Die Schienenspieler sollen auf Chipbälle der spielaufbauenden Spieler warten und dann über die Außenbahn für Gefahr sorgen. Alternativ kommt ein Zug über das Zentrum, welches durch das inverse Verhalten der AV gut besetzt ist. Dadurch ergibt sich Flexibilität und ein gewisser Grad an Unberechenbarkeit. Sollte ein flacher Aufbau nicht gelingen, wird ein hoher Ball auf den kopfballstarken Ganaus gesucht, der dann auf andere Offensivspieler ablegen soll. Meiner Ansicht nach, sollte man flache Spielzüge präferieren, und nur bei aggressivem Pressing des Gegners bzw. im Notfall den hohen, weiten Schlag wählen.

1.2 Der abkippende Sechser

Wie vorhin erwähnt sind Rasim Bulic sowie Andi Geipl im Spielaufbau keine große Hilfe, daher wäre meine Überlegung, mit einem abkippenden Sechser zu spielen. Dieser kippt bei einer offensiven Aktion der eigenen Mannschaft in die Innenverteidigung, damit die Restverteidigung im Falle eines gegnerischen Konters zufriedenstellend bleibt. Dadurch hebt man ihre Qualitäten im Defensivbereich hervor und lässt die Schwächen im Spielaufbau nicht zum Vorschein kommen. Dennoch muss dieses Verhalten angeeignet werden, ansonsten könnten bei der Verschiebung Räume aufkommen oder durch ein uneinheitliches Agieren der Dreierkette Unterzahlsituationen in der Verteidigung entstehen.

1.3.1 Die Rolle der Außenverteidiger

Um dennoch die Besetzung des zentralen Bereichs des Spielfelds zu erhalten, spielen die Außenverteidiger eine wesentliche Rolle in meinem Jahn. In meiner Analyse zu diesem Artikel konnte ich die Stärken von Bryan Hein mit dem Ball feststellen, dadurch eignet er sich besonders für diese Spielweise. Es gibt nicht wenige Beispiele für Außenverteidiger die zu Sechsern wurden, wieso nicht auch im Spiel? So sollen diese im Spielaufbau die Aufgaben eines Mittelfeldspielers übernehmen und so Spielzüge einleiten. Sie sollen den Ball abholen und ihn nach vorne spielen. Einer, ich würde Hein vorziehen, geht den Weg mit nach vorne und einer sichert derweil ab. Die Hauptaufgabe liegt aber auch in dieser Position in der Kommunikation, so muss man nach einem Angriff die Restverteidigung auf den Außenbahnen sichern, damit die letzte Reihe nicht auseinandergezogen wird und somit Räume entstehen. Kann man dies nicht rechtzeitig erreichen, so muss einer der Schienenspieler ausweichen.

1.3.2 4er-Kette als Option?

Wie Sie bereits festgestellt haben, bin ich kein großer Freund von Benedikt Saller im offensiven Part seiner Position. Aber auch hierfür gibt es einen einfachen Lösungsansatz, so kann man anstatt einer 3er-Kette auf einer 4er-Kette umstellen und somit nur Hein als Sechser auflaufen lassen. Infolgedessen muss Bitroff als Linksverteidiger auflaufen, was er bereits in der Vergangenheit getan hat. Eine Variation im Spiel würde das Spiel unausrechenbar machen, aber nur wenn man kommunikativ ein eiwnadfreies Zusammenspiel beherrscht.

1.3 Der Schattenstürmer

Louis van Gaal haben wir den Schattenstürmer zu verdanken, schließlich hat er ihn mit Jari Litmanen auf die Spitze getrieben und noch heute wird er bei vielen Teams verwendet. Dieser Spieler unterstützt das Mittelfeld im Spielaufbau, muss also eine gute Technik haben, geht aber dennoch die progressiven Läufe im Sturm mit. Er kommt somit aus dem Schatten der Verteidigung und ist schwer zu verteidigen. Mit Noel Eichinger sowie auch Joel Zwarts haben wir zwei Spieler im Kader, die die Anforderungen für diese Rolle erfüllen und auch das Spielverständnis dafür besitzen. Auch aus der Ferne ziehen beide gerne ab, also können wir uns auf spektakuläre Tore freuen. 😉

1.4 Der Wandspieler

Neben dem Schattenstürmer steht aber nominell auch ein Wandspieler. Schauen wir uns den Kader an, wer ist groß wie eine Wand? Richtig, Noah Ganaus! Der 1,98 Meter große Stürmer ist ideal für diesen Spielertyp. Schließlich hat er die Größe, hat ein gutes Kopfballspiel sowie die notwendige Physis. Er soll nicht das Foul ziehen, sondern den Ball weiterleiten und Gegner an sich binden, damit sich Räume für andere Spieler ergeben.

2. Der neue Jahn-Fußball

Die Systemfrage habe ich bereits beantwortet, aber wie würde ich die Jahnelf spielen lassen? Einfach so spielen wie die Jahre zuvor geht schon alleine aufgrund der Fluktuation auf sämtlichen Eben nicht. Im Endeffekt spielten wir zuerst einen Hurra-Fußball in der 2. Bundesliga und später nur noch einen Ball des Überlebens. Ausschließlich weite Bälle, nur vereinzelte ausgespielte Konter usw. All dies darf in der neuen Saison keinen Platz mehr haben.

2.1 Ballbesitz- oder Konterfußball?

Eine Grundsatzfrage, die man eigentlich nicht beantworten kann. Keine Mannschaft dieser Welt kann sich auf eine Sache fokussieren, es wird immer Momente geben, in denen man lieber einen Querpass spielen sollte, als einen schnellen Konter aufzufahren, aber es gibt auch Situationen, die genau andersrum aussehen. Einige Trainer versteifen sich förmlich, aber eigentlich hemmt man dadurch nur die Kreativität der Spieler, schließlich sind es Ende sie, die den Pass spielen sollen. Als Trainer würde ich den Spielern ein Grundkonstrukt verleihen, aber dennoch einige Fragen offen lassen, die sie im Spiel selbst beantworten müssen, dazu sollte man sich auch auf den Gegner einstellen und nicht nur seinen Stiefel spielen. Meine Basis wäre schneller Fußball, den die Leute sehen wollen, wofür sie ins Stadion kommen. Es wird aber auch Mannschaften geben, die uns den Ball geben werden, dann sollte man auch Ballbesitzfußball beherrschen und nicht andauernd Konter ins Leere fahren lassen.

2.2 Pressingverhalten

Jede Aktion, die aktiv dazu führt, dass man den Ball gewinnen möchte, ist Pressing. Also ist es keine Ja-Nein-Frage, sondern eine Sache der Intensität. Letzte Saison haben wir eine Mischung aus abwartenden und aggressiven Pressingverhalten gewählt und oft fehlte eine Abstimmung. In der Vorbereitung auf die neue Saison müssen deutlich mehr Laufwege und Verhaltensweisen einstudiert werden, damit man nicht ein solch unproduktives Pressing wie letzte Saison erhält. Ich würde eine sehr aggressive Herangehensweise bevorzugen, welche sich aber in Bezug auf die Partie anpasst und mehr von Flexibilität als von Sturheit geprägt ist.

Das von mir vorgeschlagene 4-4-2 ermöglicht eine optimale Raumverengung, da man insbesondere im eigenen Drittel kompakt steht und die ungefährlichen Zonen außen vor lassen kann. Die aufeinanderfolgenden 4er-Ketten können allerdings auch große Räume, wie bereits erwähnt, öffnen, wenn die Kommunikation in den Ketten nicht stimmt. So ist es in der Spielvorbereitung essenziell, dass man den Pressingauslöser (bspw. Pässe des Gegners) bestimmt und darauf gezielte Laufwege bzw. Aktionen startet.

So kann in diesem System ein Stürmer den Gegner nach Außen lenken, woraufhin dort der Raum verengt und auf einen Ballgewinn hingearbeitet wird.

2.3 Vorwärtsverteidigen antizipieren

Vorwärtsverteidigen kam hauptsächlich durch die RB-Schule in die Fußballwelt und wurde auch beim Jahn praktiziert. Auch in der letzten Spielzeit konnte man Ansätze dessen erkennen, speziell Bene Gimber versuchte es zuletzt oft. Um vorwärts zu verteidigen, muss man die Passwege des Gegners genau kennen und das Spiel lesen können, damit man daraufhin aktiv den Zweikampf sucht. Es ist eine Art Abwehrpressing, deswegen überschneidet es sich mit dem vorausgehenden Punkt. Es ermöglicht bei perfekter Umsetzung ein blitzschnelles Umschaltspiel und eine Überzahlsituation, da man dem Gegner oft mehrere Schritte voraus ist. Also eigentlich genau diese Art von Fußball, weswegen wir ins Stadion gehen. Aber es gibt auch einige Risiken, so öffnet sich logischerweise ein Raum, wenn ein Verteidiger herausrückt, welcher bei einem verlorenen Zweikampf bespielt werden kann.

Auch hier findet man am Ende eine Grundsatzfrage, warum verteidigt man? Ist das Ziel, ein Tor zu verhindern, oder durch einen Ballgewinn selbst die Chance zur Torerzielung zu kreieren? Am Ende stiegen wir auch durch die Passivität in der letzten Reihe ab, so entschied man sich eher für Abwarten anstatt für eine aktive Zweikampfführung, wodurch Unterschiedsspieler wie Baris Atik profitierten und uns förmlich vernichteten. Im Endeffekt führte es dazu, dass ich wieder eine aktive Verteidigung sehen möchte. Allerdings bezweifle ich, dass wir dafür das richtige Personal haben. Denn für die moderne Form des Vorwärtsverteidigens ist eben nicht nur Zweikampf- und Stellungsspiel von enormer Wichtigkeit, sondern eben auch eine exzellente Athletik, insbesondere ein sehr guter Antritt sollte man besittzen.

Meines Erachtens ist es der Fehler zu glauben, man könne das Spiel nur kontrollieren, wenn man den Ball hat. Dabei ist es oft genau andersherum!

Ralf Ragnick über Vorwärtsverteidigen
2.4 Abschlag als Chance nutzen

Wir kennen alle das Bild: Ein hoher Abschlag geht ins Leere und der eigentlich gewonnene Ball gehört dem Gegner. Dies sollte sich in der neuen Saison ändern, da der Jahn gezwungenermaßen auch mehr mit dem Ball anfangen muss. So sollte man in der Vorbereitung Spielzüge einstudieren und damit einen Plan hinter dem Abstoß oder Abschlag setzen. So kann man bspw. über die Innenverteidigung aufbauen (siehe weiße Pfeile, gestrichelte Linien sind Laufwege), oder einen hohen Ball auf den Wandspieler suchen, der ablegt und somit einen Zug einleitet (siehe schwarz).

Im Endeffekt sollen diese vorgefertigten Spielzüge vor jedem Spiel verändert werden, damit sich der Gegner nicht vollends auf den Jahn einstellen kann. Dazu ist es nur ein Baukasten, aus dem sie greifen können, aber auch andere Lösungen sind natürlich möglich. In der Saison 22/23 versuchte man es erst flach, ehe man einen brachialen Fehler in Darmstadt begann und man ab diesem Moment ausschließlich hohe, planlose Bälle schlug.

2.5 Schwächen der Gegner nutzen

Die Gegneranalyse ist im modernen Fußball sehr wichtig, so gibt es vor Spielen gefühlt einen Filmabend nur mit Szenen des Gegners. Auch einzelne Spieler bekommen oft Videos ihrer Gegenspieler, damit sie ungefähr wissen, was auf sie zukommt. Der Spieler auf dem Feld nimmt es nicht wahr, dennoch verspürt man oft Sicherheit, wenn man diese Sachen im Hinterkopf hat. Diese Sicherheit fehlte uns oft, da der Jahn in diesem Bereich deutlich kleiner aufgestellt war als der Großteil der 2. Bundesliga.

Die anderen Vereine analysierten unsere Schwachstellen gnadenlos und wussten zu 100 % wie sie uns schaden können. In der 3. Liga verschiebt sich dieses Gleichgewicht und wir sollten etwa gleich wie alle anderen Vereine aufgestellt sein. Dies ist eine Chance, dass wir in Investitionen starten und die eigene Strategie auf die des Gegners anpassen. Oft hilft es nicht, wenn man nur die eigenen Stärken hervorbringt, ehe man die des Gegenübers nicht ausnutzt.