Es ist vorbei

Der Stachel sitzt nach dem 1:5 gegen den HSV tief, erst recht, wenn man das Zustandekommen der Niederlage betrachtet. So spürte man nach der Vorstellung von Joe Enochs eine gewisse Aufbruchsstimmung, aber nun wirkt es so, als wäre der Abstieg endgültig besiegelt. (Foto: Gatzka)

Die Jahnelf in der Taktikanalyse

Die einseitig und deklassierende erste Halbzeit der Hamburger war ein Paradebeispiel dafür, wie einfach man den Jahn bespielen kann. Das 4-2-2-2 der Jahnelf sollte als Basis für ein kompaktes Defensivspiel sein, welches der HSV mit einfach taktischen Kniffen wie das Überladen der Außenbahnen sowie das Zustellen der Zwischenräume innerhalb weniger Minuten aushebelte. Die Hamburger konnten mit einem 4-1-2-3 stets das Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive halten, weshalb sie am Ende einen ungefährdeten Sieg im Jahnstadion Regensburg einfahren konnten.

Außenverteidigung als Schwachstelle

Die Außenverteidiger vom SSV Jahn standen stets halbraumbreit und durchaus flach, quasi zwischen den Duos Dompé – Kittel und Jatta – Reis. Sie befanden meistens auf gleicher Höhe, bildeten also eine symmetrische Außenverteidigung. Im Offensivspiel reagierten die Flügelspieler auf die hohe AV und versuchten durch Läufe in die Zwischenräume Platz für den Flügelverteidiger zu schaffen. In der Konsequenz positionierten sich aber auch die Offensivspieler der Hamburger eher flacher und Dompé sowie Jatta nutzten die ganze Breite des Spielfelds, weshalb sich große Lücken in der Hinterreihe der Jahnelf bildeten.

Die Defensivformation vom Jahn

Die Ursprungsidee war wahrscheinlich, dass man das zentrale Mittelfeld isoliert und somit die spielstarken vorgeschobenen Spielmacher Kittel und Reis aus dem Spielaufbau nimmt. Der Sportverein nutzte dies aber und setzte auf ein Überladen der Außenbahnen, weshalb die Abwehr des Jahns gehörige Probleme im Stellungsspiel hatte und niemand so richtig wusste, wen er genau decken muss.

Durch die Breite von Jatta und Dompé kamen beide oft aus dem Rückraum und konnten überraschende Laufwege ansetzen, wodurch man hingegen auch die Außenverteidiger aus ihren Positionen lockte und die eigentlich isolierten Halbraumspieler wieder Raum für ihre Kreativität besaßen. Im Endeffekt ging die Idee der Isolation nach hinten los und man konnte diese Problematik trotz der frühen Sichtbarkeit nicht beheben und dazu bewies es sich einmal mehr in dieser Saison, dass die Außenverteidigung einer der größten Problemherde darstellt.

Veränderungen im Spielaufbau

Der Jahn ging gegen den Aufstiegskandidaten unter, obwohl man auch selbst stets bemüht war, eigene Akzente zu setzen. So setzte man auf ein horizontales Spiel – also mit vielen Querpässen – und versuchte den richtigen Moment abzuwarten. Es wurde zwar hin und wieder probiert, aber durch das Zustellen des HSV wurde eine Dreiecksbildung unmöglich, weshalb auch der unkonventionelle Schlag nach vorne oft gezogen wurde.

Dazu setzte die Abwehrreihe inklusive Jonas Urbig auch auf Chip-Bälle auf die Außenspieler, welche den Ball den “weiterklatschen” sollten. Aber auch hier blieb der Gegner aktiv und gewann so gut wie jedes wichtige Duell. Wenn die Außenverteidigung einen der oben genannten Vorstöße wagte, dann sicherten derweil das zentrale Mittelfeld sowie die Innenverteidigung ab und setzte derweil auf eine Dreierkette. Aber auch dieses Vorgehen brachte Risiko mit sich, schließlich punktet Hamburg auch mit schnellen Umschaltsituationen auf den Außen, was die Dreierkette auseinanderzieht und dann Räume für die Halbraumspieler Kittel – Reis öffnet.

Caliskaner und Mees waren beim Jahn Spieler, die beim Ballgewinn sofort umschalteten und den Lauf in die Tiefe suchten. Interessanterweise war es auch Caliskaner, der oft den Weg zurück in die eigene Hälfte ging, um einen Vorstoß einzuleiten, demnach ist er sowas wie ein Nadelspieler im Spiel von Joe Enochs. Auch die Rolle von Jonas Urbig sollte man nicht unterschlagen, da er zwar oft gewillt ist, auf einen Spielzug hinzuarbeiten, aber er durch seine Vorderleute alleine gelassen wird und dadurch doch den langen Ball und das Zufallsprodukt wählen muss. Alles in allem sah man auch hier wenig vom neuen Selbstvertrauen, man war oft zu vorsichtig und unsicher, was der HSV mit einem aggressiven Pressing ausnutzte.

Verschiebungen im Defensivverbund

Diese Unsicherheit spiegelte sich dann auch in der Defensive wider, da man sich im Laufe des Spiels noch vorsichtiger aufstellte, obwohl man kurzzeitig eine Chance roch. So verfiel man bei Gegenstößen des Gegners fast in eine panische Restverteidigung und alle machten irgendwas, aber nicht das, um den Angriff zu unterbinden.

Man zog sich teilweise in ein 6-1-3 (!) zurück und ließ somit der Offensive automatisch sehr viel Platz vor dieser Abwehrreihe, wodurch man dem Gegner sehr viel Zeit und Raum schenkte. Der HSV konnte diese Reihe dann oft mit Chipbällen in die Halbräume überwinden und konnte dann durch flache Flanken in den Rückraum auch die Verteidigung in der Box aushebeln. Und dann passieren natürlich automatisch Fehler und Fehlpässe, wenn du 90 Minuten unter Druck stehst, aber der Jahn konnte durch den überhasteten Spielaufbau auch keine vernünftigen Entlastungsangriffe setzen und gab dem HSV direkt wieder den Ball für einen neuen Angriff.

Während der Jahn wie vorhin erwähnte keine Dreiecksbildung formen konnte, formierten die Norddeutschen ganze Angriffe nur mit diesen Aktionen und die Jahnelf kam damit über weite Strecken nicht klar, da Zuordnung und Kommunikation fehlte.

Missglücktes Pressing

Während sich die Defensivformation von der in der Offensive unterschied, änderte man diese auch im Pressing und agierte in einem 4-4-2. Besonders Caliskaner und Owusu waren wichtig, da Kaan den Passweg zustellte, Prince derweil anlief und somit den Moment ausnutzen wollte, wo der Verteidiger auf den Ball schaut. Eine altbewährte Strategie, die insbesondere Miro Klose beherrschte und seitdem in einigen Pressing-Strukturen ein fester Bestandteil ist. Man nahm immer etwas Abstand zum Gegenspieler, damit man im Anlauf eine Geschwindigkeit entwickelt und der Gegenspieler nicht reagieren kann.

Eine weitere Falle bestand wohl darin, dass man das Spiel absichtlich auf die Seite lenkte und dort zustellte. Die technisch versierten Flügelspieler nutzten dies aber zu ihren Gunsten aus und konnten sich mehrmals befreien. Dadurch trat man in die eigene Falle und schenkte dem Gegner erneut wichtige Räume.

Dazu überließ man den Hamburgern in bestimmten Phasen des Spiels auch mal den Ballbesitz, um eine Ruhephase zu generieren. Als Folge verschob sich die erste Pressinglinie nach hinten und man stellte zu.

(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images via Onefootball)

Die Meinung zum Spieltag

Eine Niederlage gegen einen Aufstiegskandidaten ist kein Drama, aber die Art und Weise geht so nicht. Auch bei den Spielern verspürte man Aufbruchsstimmung und man erhoffte sich endlich, dass sich die mentale Blockade löst. Diese Hoffnung bestand aber nur 4 Minuten, dann nahm alles seinen Lauf. Ein Gegentor nach dem Anderen und kein Spüren von Aufbäumen.

Und ich wurde einmal mehr für den Funken Optimismus bestraft, derweil habe ich mir doch nur eine solide Leistung gewünscht. Außer vereinzelten Ausnahmen bringen unsere Spieler ihre Normalform nicht annähernd und konstant auf den Platz. Ich muss zugeben, dass ich langsam mit dieser Spielzeit und auch großen Teilen der Mannschaft abgeschlossen habe. Mich macht nicht der Abstieg wütend, sondern dieses Gefühl, dass wir es so oft in der Hand hatten und die Jungs unter ihren Möglichkeiten spielen.

Und nun ist der Abstieg wohl besiegelt, immerhin kann man jetzt für die 3. Liga planen. Wenn du in weiten Strecken der Saison keine „Mentalität“ zeigst und keine Kontinuität findest, dann ist es am Ende des Tages wohl doch eine Frage der Qualität.

Die Stimmen nach dem Spiel

Bene Gimber zur Niederlage: „Es ist sehr schwer. Ich habe keine Worte dafür, es tut mir einfach weh, den Verein da zu sehen, wo er jetzt ist, an dem man auch sehr hängt. (…) Wir müssen uns nochmal auf strammen, ich weiß, das sage ich seit mehreren Wochen, wir müssen uns zusammenraufen und als Mannschaft nochmal eine gute Leistung abliefern.“

Bene Saller über den Abstiegskampf: „Ich bin sehr bedient. Ich glaube, in der ersten Halbzeit darf man sich einfach so nicht präsentieren. Ich glaube, jeder will hier 2. Bundesliga spielen, aber so funktioniert es einfach nicht. Die Chancen schwinden, 2 Spiele, einfach gesagt, aber wir müssen gewinnen. Wenn wir eine Chance haben, dann haben wir eine Chance, und wenn nicht, dann haben wir es auch nicht verdient in der Liga zu bleiben.“

Joe Enochs über die Art und Weise: „Dass wir Zuhause gegen den HSV verlieren können, das ist eine Spitzenmannschaft, gar keine Frage, aber die Art und Weise ist für mich immer entscheidend. Und die Art und Weise in der ersten Halbzeit war nicht gut von uns allen. (…) Wenn wir in den Zweikampf kommen und diesen nicht richtig führen, dann ist es egal welche Taktik man nimmt.“

Maximilian Aichinger