„Ich habe viel geopfert“ – Jann George im Interview (Teil 1)

Er hatte seine Karriere schon beendet und eine Ausbildung begonnen – später absolvierte er 192 Spiele für den SSV Jahn. Im ersten Teil spricht Jann über seine Anfänge in seiner Karriere, den Umgang mit Rückschlägen und wie er sich aus schlechten Lagen befreien konnte.

Servus Herr George, oder darf man sie Jann oder doch nach Ihrem alten Spitznamen bei den Fans Schore nennen?

Tatsächlich ist mir das grundsätzlich egal. In der Regel werde ich George, Georgi, Georgio oder logischerweise Jann genannt. Aber ich fand es auch cool, dass ich einen eigenen Spitznamen in Regensburg bekommen habe, also Schore ist auch in Ordnung. Ich höre auf alles.

Wie geht es dir denn aktuell?

Ja, ich bin eigentlich schon zufrieden. Klar, das letzte Jahr, die letzten eineinhalb Jahre, sind vielleicht nicht ganz so gelaufen wie man es sich erträumt hätte, aber man kann so ein bisschen wieder seinem Hobby nachgehen und wieder Spaß haben an der ganzen Sache. Das hat ein wenig gedauert, aber ich bin jetzt schon sehr zufrieden.

Das ist sehr schön. Du hast in Regensburg ein Studium begonnen, was hast du studiert? Wie läuft das Lernen?

Ich habe angewandte Bewegungswissenschaft und evangelische Theologie studiert und bin in der Zeit in Aue dann fertig geworden.

Herzlichen Glückwunsch! Warum interessieren dich diese beiden Themen so?

Das sind beides Studiengänge, welche man in Kombination studiert und das war dann am naheliegendsten. Sport war das einzige, was so verfügbar war, und ich wollte in die wissenschaftliche anstatt in die Management-Richtung gehen und deswegen habe ich mich für angewandte Bewegungswissenschaft entschieden. Ich konnte es dann auch nebenbei machen, da es ja in Regensburg war. Und evangelische Theologie, es ist ja kein Geheimnis, dass ich recht gläubig bin, und die Kombination, dass ich mich da weiterbilden konnte, hat es dann für mich nochmal richtig spannend gemacht, also ich war sehr zufrieden.

Also ist Pfarrer werden vielleicht eine Option?

Habe ich jetzt nicht vor.

Warum denn nicht, wäre doch bestimmt eine coole Sache?

Kann schon passieren (lacht), aber ist jetzt nicht der Wunsch-Traum.

Ja, wer träumt schon davon, Pfarrer zu werden. Aber aktuell bist du ja noch Fußballprofi, wenn ich jetzt zum 10-jährigen Jann gesagt hätte, dass er diese Karriere durchlebt, hätte er das geglaubt?

Tatsächlich habe ich mit vier Jahren das Fußballspielen begonnen, da war mein Bruder das große Vorbild, so dass ich dann eben auch mit Fußball angefangen habe. Ich habe dann schon frühzeitig angefangen, Giovane Elber oder Ronaldo zu verfolgen. Mir war es schon wichtig, als junger Mensch Fußballprofi zu werden. Ich habe viel geopfert und war dann umso glücklicher, dass es dann doch noch mal geklappt hat, als ich in Regensburg richtig durchstarten konnte.

Du hast gesagt, du hast viel für deinen Traum geopfert – bereust du das auch für dich? Hättest du vielleicht gewisse Sachen doch mehr mitgenommen als es dann im Endeffekt möglich war?

Ne, überhaupt nicht. Ich habe mein Leben schon in diese Richtung angepasst, dass ich nichts bereuen muss und habe eine Frau, die wusste, auf was sie sich einlässt. Dazu steht meine Familie schon immer hinter mir. Von dem her hatte ich nie das Gefühl, ich hätte irgendetwas vermisst. Aber klar, wenn man nicht das Ziel Fußballprofi hat, dann geht man vielleicht ein paar Mal öfters feiern oder so etwas in die Richtung. Das war mir nie so wichtig, also konnte ich das gut ad acta legen, dass ich das nicht machen will und muss. Klar, jetzt kam irgendwann schon einmal die Phase, wo es darum ging, vielleicht mal Familienurlaub zu machen oder sowas, und bei einer großen Familie ist es schwierig, alles auf einen Nenner zu bringen. Und dann ist es auch schwierig, gerade weil die Auszeiten im Fußball nicht wirklich flexibel sind, man also nur in zwei bestimmten Perioden Urlaub machen kann und das macht es dann nicht so leicht. Aber im Großen und Ganzen bin ich schon zufrieden, ein Fußballprofi zu sein, weil ich weiß, dass es für viele Menschen aus Deutschland und der Welt ein Wunsch-Traum und ein Privileg ist. So behandle ich das Thema auch.

Du meintest, dass du einige Probleme mit Verletzungen hattest – wie war das im Nachhinein für dich?

Also wenn ich zurückdenke, dann wäre ich sehr froh, wenn meine Kinder Sport machen wollen würden und ich ihnen die Tipps mitgeben kann, die ich nicht bekommen habe, weil ich vielleicht nicht die richtigen Ansprechpartner hatte oder Ähnliches. Aber man hätte wahrscheinlich schon viel in jungen Jahren gegen diese Verletzungsanfälligkeit unternehmen können. Wie es eigentlich jedem Sportler geht: Die Belastung ist groß, aber man muss vorbeugen. Und da habe ich, gerade wie ich jung war, vielleicht zu wenig Input bekommen, bin vielleicht auch selber schuld und wusste nicht, an wen ich mich wenden musst. Das ist alles möglich.

Als Nürnberger bei Fürth – wie ist das?

Grundsätzlich eine absolute Scheiße, darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Nürnberg ist immer noch mein Herzensverein. Ich würde keine Sekunde zögern, wenn ich nochmal für den 1. FC Nürnberg spielen könnte. Aber das war mir zum damaligen Zeitpunkt egal. Meine Trennung vom Club war nicht gerade positiv, ich bin dann nach München gegangen und dort auch nicht glücklich geworden. Ich hatte viel mit Verletzungen zu kämpfen, auch privat ist viel Schlechtes passiert. Deswegen hatte ich meine Karriere schon offiziell beendet und eine Ausbildung bei einem großen Unternehmen begonnen.

Und wie bist du wieder zurück in den Profifußball gekommen?

Durch meinen damaligen Trainer (Thomas Kleine) in Fürth. Er hat mich angerufen, ob ich nicht nochmal Lust hätte Fußball zu spielen. Ich solle mir das Ganze im Training nochmal anschauen, ob es für mich was wäre, und mich dann überreden lassen. Und dann ist es eben so gekommen, dass ich relativ verletzungsfrei war, weil vielleicht der Stress weg war und es nicht mehr so wichtig war, Profi zu werden, da ich nicht mehr davon ausgegangen bin. Und dann ist es umso schneller gegangen. Ich hatte dann viel Glück und blieb ohne viele Verletzungen oben bei den Profis, damit man dabei war, mittrainieren durfte, gute Trainingsleistungen bringen konnte und auch gute Spiele machte. Und dann ging es sehr schnell und ich kam irgendwann nach Regensburg.

Die Zeit vor Fürth war von Rückschlägen geprägt – wie gingst du damit um?

Es gab tausende Rückschläge, insbesondere Verletzungen, aber auch andere Dinge. Oft kannst du selber nichts dafür. Du weißt nicht, was eigentlich das Problem ist. Aber ich war schon immer der Typ mit Leistungsgedanken, deswegen war es für mich nie eine Option zurückzustecken und die Dinge zu akzeptieren, sondern dagegen anzukämpfen, Verletzungen vorzubeugen und danach besser herauszukommen. Ich glaube, wenn man sich das richtige Mindset schon mit jungen Jahren aneignet und entwickelt, dann hat man große Chancen, vor allem mental und psychisch diesen Rückschlägen entgegenzuwirken und diese Dinge zu reduzieren. Aber es gibt kein Rezept, dass man beispielsweise von Verletzungen verschont bleibt. Also manchmal steckt man da nicht drin, aber umso mehr muss man die guten Dinge in dieser Situation sehen.

Was würdest du in einer solch schwierigen Lage positiv hervorheben?

Ich würde positiv herausheben, dass ich nun in einer Phase bin, wo ich alleine trainieren kann und ich machen kann, was mir Spaß macht und ich wieder einen wohlfühlenden Fitnesszustand entwickeln kann. Dadurch kann ich dann meinem Team noch besser helfen, was in dieser Art und Weise unter der Saison nicht realisierbar ist, weil du die ganze Zeit unter Spannung stehst und im Training bist. Man kann zwar zusätzlich Dinge machen, aber die sollten auch kontrolliert sein und werden. So ziehe ich mich dann etwas raus. Meine Frau ist Psychologin, da habe ich eine gute Ansprechpartnerin, die mich auch aus seelischen Tiefs rausholt.

Teil 2 des Interviews:  „Es soll auch kein Geheimnis bleiben, dass er der Grund für meinen Abschied war“ gibt es in einer Woche.