Solide reicht nicht (mehr)

Auch mit einer soliden Leistung konnte der Jahn keine 3 Punkte gegen Kaiserslautern holen. Klingt ernüchternd, ist es auch.

Beitragsbild: Gatzka

Falls ihr das Spiel nicht sehen konntet:

Die Aufstellung

Mersad Selimbegovic nahm eine Änderungen in der Startaufstellung im Vergleich zur bitteren 1:2-Niederlage in Fürth vor. Der wieder spielberechtigte Jan Elvedi ersetzte Scott Kennedy und machte somit seine 28. Partie in dieser Saison.

In der realtaktischen Formation lief man meist mit einem 2-4-3-1 auf und versuchte Lautern mit einem abwartenden Umschaltmoment sowie vielen horizontalen Bällen zu schlagen.

1. Halbzeit

Die Partie begann eher schwerfällig, da beide Mannschaften ein horizontales Ballbesitzspiel an den Tag legten und nur wenig Risiken eingingen. Anfangs begaben sich beide Teams in Lauerstellung und wollten die langen Ballbesitzphasen zu ihren Gunsten nutzen und durch gezielte Pressingaktionen Fehler erzwingen. So entwickelte sich ein Spiel der guten Ansätze und der schlechten Ausführungen, da man oft die Laufwege sowie Ideen besaß, aber am Ende der letzte Schliff fehlte. So hatten Makridis (8.) durch einen Fernschuss sowie Zuck mit einer Flanke (10.) zwar die Ideen, aber am Ende blieb es gefahrlos.

Ben Zolinski kam mit einem Schuss aus der Distanz zu der ersten nennenswerten Möglichkeit für die Pfälzer in der 29. Minute, welcher aber neben das Tor ging. Eine Minute später hatte der Jahn nach dem Abstoß und der Ablage von Owusu die Chance durch Singh, aber auch diese fand nicht den Weg in das Tor. In dieser Spielsituation erkannte man ein typisches Muster: Nach einem langen Ball oder Abstoß legt der Wandspieler, in diesem Fall Prince Owusu, auf einen der ins Zentrum gerückten Flügelspieler ab, welcher dann den Abschluss oder das Dribbling sucht.

Im Jahnstadion ging es somit mit einem 0:0 in die Kabine. Es war ein großer Kampf, mit einigen Zweikämpfen, Fouls sowie Fehlern. Kaiserslautern merkte man an, dass sie letzte Woche alles gegen den HSV gegeben haben, dem Jahn fehlte bis dahin die letzte Zielstrebigkeit sowie eine gewisse Galligkeit.

Foto: Gatzka
2. Halbzeit

Nach dem Pausentee war es direkt Lobinger (46.), der Jonas Urbig prüfte. Danach begann wieder gefühlt die erste Halbzeit mit dem großen Lauern und einigen erfolglosen Ideen.

Bemerkenswert war, dass Ben Zolinski auch in der 2. Halbzeit Benedikt Saller aus dem Spielaufbau isolierte und ihm zu Läufen durch das Zentrum zwang, welche wiederum Räume für Zuck öffneten. Auch Singh wurde dadurch aus dem Spiel genommen, da er bei solchen Läufen derweil die defensiven Aufgaben übernehmen musste.

Im Pressing zeigten wir wie gewohnt ein abwartendes, aber dann aggressives Verhalten. Wir stellten erst zu, lockten sie in Fallen und wollten damit Fehler erzwingen.

Es gibt Momente, die können eine ganze Saison zum guten wenden, so einen hat der SSV Jahn kläglich vergeben. Nach einer Flanke durch Saller köpfte Thalhammer nur neben das Tor. Wie Mersad schön sagte: „Was, wenn Albers da gestanden wäre.“

Kurz darauf folgte dann wohl der Aufreger in der Partie: Nach einem weiteren Versuch eines Konters durch die roten Teufel foult Bene Saller (74.) den kurz davor eingewechselten Hercher. Nach kurzem Zögern zeigte Florian Lechner den Platzverweis. Die große Frage ist, war es ein „taktisches Foul“ oder „Nachtreten“? Es kann wahrscheinlich als beides gewertet werden, aber das Foul an sich ist nicht notwendig, da noch genügend Jahnspieler eine Restverteidigung bildeten. Auf alle Fälle ein erneute 50/50-Entscheidung, die gegen den SSV Jahn getroffen wird. Fußballgott, was haben wir dir nur getan?

Man verteidigte daraufhin teilweise mit sieben Mann und wollte irgendwie den Punkt sichern. Es wären aber am Ende sogar noch mehr drin gewesen, aber Prince Owusu (90+4) scheiterte an Andreas Luthe, der Weltklasse parierte. So trennte man sich torlos mit 0:0 und niemand weiß, ob es ein gewonnener oder zwei verlorene Punkte sind.

Sachen, die auffielen:

1. Erneut reicht solide nicht mehr

Es gibt schlimmeres, als ein Unentschieden gegen einen einstigen deutschen Meister. Aber sind wir ehrlich, niemand kann damit zufrieden sein. Gerade, weil nun alle im Abstiegskampf punkten. Auch dieses Unentschieden hätte man auf seine Seite drehen können, aber irgendwie kommen dann Kleinigkeiten zusammen, mit der Roten Karte als Spitze des Eisbergs, und dann gewinnt man eben so ein Spiel nicht. Der Jahn ist couragiert, bemüht, so nah dran am Sieg – auf Augenhöhe mit einer Mannschaft, die gerade erst den HSV schlagen konnte – aber es fehlen dann am Ende diese letzten Zentimeter. Diese kleinen Stücke summierten sich im Laufe der Saison zusammen zu einer ewig langen Durststrecke zusammen. Jede Woche aufs neue hört man, dass man den Klassenerhalt verdient hätte. Aber am Ende bleibt es eben „hätte, hätte“.

Und langsam muss man sich die Frage stellen, ob wir vielleicht nicht gut genug für diese Liga sind? Schließlich ist es auch eine Qualität, diese in wichtigen Momenten zu zeigen und das tun wir meistens nicht. Wir spielen in direkten Duellen meistens solide, aber das reicht nicht mehr. Es kann nicht sein, dass alle auf den Rängen sich die Kehle aus dem Hals schreien und man auf dem Platz in den wichtigen Phasen kein Feuer sieht. Ich vermisse, dass man auch mal einen an der Seitenlinie einen umgrätscht, einmal bisschen Trash-Talk, dort ein harter Zweikampf – das fehlt uns. Wir sind zu brav für diesen Abstiegskampf.

Es bleibt die Hoffnung, dass die Mannschaft die richtigen Schlüsse aus dieser Partie zieht und in den „letzten 5 Endspielen“ ein Feuerwerk abbrennt. Bitte.

2. Die Offensive bestimmt den Erfolg

Mit Andreas Albers, Sapreet Singh und Prince Owusu haben wir nominell eine gute bis sehr gute Offensive. Doch hier hakt es zum aktuellen Zeitpunkt am meisten. In Fürth hätten wir mindestens 3 Tore machen müssen und auch gegen Kaiserslautern können wir in Führung gehen. Wir legen lieber nochmal rüber, überlegen die Millisekunde zulange und dann ist der Ball weg. Wir stehen mit der Offensive im Ligavergleich auf Platz 16, während wir bei der Defensive sogar im Tabellenmittelfeld landen. Dies zeigt, wo die Schwäche im Kader liegt.

Albers findet aktuell einfach nicht mehr seine Normalform, hadert wohl mit sich selbst und Owusu scheint zwar eine gute Saison zu spielen, aber auch bei ihm ist noch viel mehr Potenzial vorhanden. Singh bringt zwar Kreativität in die Offensive, aber auch bei ihm bleiben es oft nur Ideen, die dann scheitern. Wir wissen bei allen Dreien und auch bei den anderen Akteuren, dass sie enorme Qualität besitzen, aber wieso bringen sie diese nicht auf den Platz? Keine Ahnung.

„Keine Ahnung“ scheint auch oft unser offensiver Plan zu sein. Wir haben definitiv ein Konzept, aber wir lassen uns viel zu leicht von diesem abbringen, werden daraufhin nervös und machen Fehler. Dann verfallen wir in das irgendwas machen, schlagen dort eine Flanke, spielen zwischendurch einen Steckpass und vielleicht auch mal ein langer Ball ins Nirgendwo. Aber um wieder sachlich zu werden: Uns fehlt in diesen Wochen die Leichtigkeit und auch die Selbstverständlichkeit, was uns am Ende Punkte kostet.

Foto: Gatzka
3. Alles mobilisieren für den Klassenerhalt!

Genug gegrantelt, schließlich haben wir es noch in der Hand! „Jetzt kommt die Crunch-Time“, sagte Prince nach dem Spiel. So ist es auch, nun geht es um reinen Überlebenskampf in dieser Liga. Und jetzt müssen wir wieder alle an einem Strang ziehen, alles für unseren Verein geben. Ich halte es einfach nicht mehr aus, die Mannschaft nach dem Spiel wieder konsterniert zu sehen und in fraglose Gesichter zu schauen. Nein, die Jungs können es, das haben sie so oft bewiesen. Nächste Woche mit dem Sonderzug nach Sandhausen und dann nach Rostock – es wird brutal wichtig. Und dann reißen wir das Jahnstadion gegen Hamburg und später gegen Heidenheim ab und schreien den Jahn zum Klassenerhalt! Alles für den Jahn!

Benotung der Jahnspieler

Jonas Urbig: 1,5 (wie gewohnt, sehr sicher und auch mit präzisen Bällen im Spielaufbau)

Leon Guwara: 3,0 (war solide im Spiel nach vorne, aber hatte Probleme im Defensivspiel)  – Nicklas Shipnoski (89.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Jan Elvedi: 1,5 (Passspiel war genial und war in den Zweikämpfen sehr sicher)

Steve Breitkreuz: 1,5 (Spielaufbau war ebenfalls sehr gut, dazu zeigte er auch eine gute Zweikampfführung)

Benedikt Saller: 5,0 (war unsicher im Defensivspiel und bekam eine unnötige Rote Karte)

Babis Makridis: 2,5 (einige starke Aktionen im 1 gegen 1, aber verlor einige Duelle) – Scott Kennedy (89.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Bendikt Gimber: 3,5 (sicher im Aufbauspiel, aber etwas verunsichert in der Defensive)

Sapreet Singh: 4,0 (verlor mehrmals entscheidende Zweikämpfe auf dem Flügel und zeigte zwar gute Ansätze, war aber meist glücklos) – Konni Faber (79.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Max Thalhammer: 3,0 (sicher bei Zuspielen, war aber im defensiven Umschaltspiel zu wenig vorhanden) – Christian Viet (79.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung) – Andreas Albers (61.): 4,0 (konnte keine entscheidenden Akzente mehr setzen)

Kaan Caliskaner: 4,0 (seine Laufwege und sein Umschaltspiel sind erneut sehr erfreulich, aber auch er konnte sich meist nicht durchsetzen, dazu einige Ungenauigkeiten) – Andreas Albers (61.): 4,0 (konnte keine entscheidenden Akzente mehr setzen)

Prince Owusu: 2,5 (sehr wichtiger Wandspieler und mit einigen guten Aktionen, aber es fehlte die letzte Durchschlagskraft)

Was sagst du dazu? – die Stimmen nach dem Spiel

Prince Owusu über die Gemütslage „Wir wussten, was das für ein wichtiges Spiel ist. Wir standen gut und haben vorne falsche Entscheidungen getroffen und den Mann nicht gesehen. (…) Wir waren engagiert, waren die bessere Mannschaft und hatten mehr Ballbesitz, aber das waren wir letztes Spiel auch und da haben wir verloren. Heute haben wir einen Punkt geholt, aber wir wissen, dass wir mit dem Punkt kein großes Stück machen können. (…) Wir müssen weitermachen, wir wissen, dass wir jetzt 5 Endspiele haben.“

Benedikt Gimber über die vergebene Chancen: „Wenn man da unten drin ist, dann muss man einfach doppelt so hart arbeiten, um was mitzunehmen. Klar, passt es irgendwie zur Situation, aber wir können es nicht ändern. Wir müssen uns reinhauen, fighten und das haben wir meiner Meinung nach auch getan heute, also ich bin zufrieden. (…) Wir sind auf dem richtigen Weg, spielen gut und das müssen wir beibehalten.”

Mersad Selimbegovic über die Stürmerwahl: „Ja, ist nicht so einfach gewesen, aber wir wussten, dass uns der Gegner mehr Ball gibt und uns die Räume dicht macht. Da wollen wir mit Caliskaner einen mehr im Zentrum haben, der vielleicht mehr im 1 gegen 2 oder 1 gegen 1 lösen kann, so wie in den letzten Spielen, aber das ist ihm heute nicht so oft gelungen.“

Maximilian Aichinger