Altes Fieber

Lange war der Glaube an den Jahnsinn verloren gegangen, doch in einem eigentlich enttäuschenden Spiel gegen Magdeburg schimmerte dieses alte Fieber wieder durch und rettete dem Jahn einen Punkt.

Beitragsbild: Gatzka

Falls ihr das Spiel nicht sehen konntet:

Die Aufstellung:

Mersad Selimbegovic wechselte zweimal im Vergleich zur Niederlage in Hamburg. Christian Viet weichte für den wieder spielberechtigten Bene Gimber, dafür musste dieses Mal Prince Owusu aufgrund einer Gelbsperre durch Andreas Albers ersetzt werden.

Realtaktisch spielte man in einem 2-4-2-2 und versuchte ab der Mittellinie mit einem vertikalen Umschaltspiel die Magdeburger Defensive zu überrennen.

1. Halbzeit
Foto: Gatzka

Der FC Magdeburg nahm zu Beginn der Partie direkt das Heft in der Hand und agierte mit einem bestimmenden Ballbesitzspiel. In den Anfangsminuten griff Tobias Stieler direkt in seine Brusttasche und zeigte erst Atik (8.) und dann Thalhammer (10.) die Gelbe Karte. Nach jenem Foulspiel durch den zentralen Mittelfeldspieler fasste sich Baris Atik aus 20 Metern ein Herz und zog ab, anstatt wie erwartet zu flanken. Auch Jonas Urbig wurde etwas überrascht, machte den folgenschweren Schritt in die falsche Richtung und wurde von dem in den Winkel einschlagenden Ball überwunden. Im U-Block herrschte Ekstase, für die Jahnfans war es nach 11 Minuten direkt der erste Schlag ins Gesicht.

Der FCM lies nicht nach und hatte durch Conde (15.) die Chance zum 2:0, welche aber herausragend im 1 gegen 1 durch Jonas Urbig vereitelt wurde. Später beruhigte sich die Partie wieder und es kamen nur noch gefahrlose Möglichkeiten wie durch Ullman (25.) sowie Gnaka (45.) zustande. Die Jahnelf blieb indes offensiv ungefährlich und konnte sich bis auf einen Schuss neben das Tor und drei geblockten Schüssen keine ernsthaften Gelegenheiten erarbeiten.

Die Mannschaft von Christian Titz war in der ersten Halbzeit überlegen, tat sich aber nach dem Traumtor durch Baris Atik mit der Chancenerarbeitung schwer. Der SSV Jahn verlor dahingegen wichtige Luftzweikämpfe und spielte Umschaltsituationen nicht zufriedenstellend aus.

2. Halbzeit

Allerdings wurde es zumindest in den ersten Augenblicken des zweiten Durchgangs nicht besser und man hätte sich fast mit den K.O. durch Atik (49.) abfinden müssen. Wenige Aktionen später fällt nach einer Uneinigkeit in der Box der Magdeburger das 1:1 (52.). Der Jahn gleicht irgendwie aus und kann auf einmal mit den Gegnern mitspielen, da man durch den Treffer wie ausgewechselt wirkt.

Nach dem Tor konnte man plötzlich eine offene Partie mit Chancen durch Saller (58.) auf der Seite des Jahns und durch Ceka (60. / 68.) für den 1. FC Magdeburg.

Nachdem sich das Spiel etwas beruhigt hatte, konnten die Blau-Weißen wieder die Kontrolle über den Ball übernehmen und sich den Jahn zurechtlegen. Nach einem Foul durch Elvedi an Conde entstand einmal mehr eine Standardsituation, die der FCM nutzen konnte (81.). Nach einer Hereingabe durch Atik scheitert erst Brükner an Urbig, ehe Elfadli zum 2:1 einschieben konnte. 5 Minuten später hätte man den Sack zumachen müssen, aber erst scheitert Conde zweimal (!!!) an Urbig und kurz darauf verzweifelte Brükner am U-Nationalkeeper. Und dann kam wieder dieses alte Fieber: Nach einer Flanke durch Faber brachte Caliskaner das ganze Stadion zum Ausrasten (90.), aber es wäre nach einer Roten Karte für Heber und den daraus resultierenden Freistoß sowie einem Distanzschuss durch Yildirim vielleicht sogar noch mehr drin gewesen.

Aber so blieb es beim wichtigen Punktgewinn nach einem 2:2!

Sachen, die auffielen:

1. Zu viel Raum und zu passives Zweikampfverhalten
Foto: Gatzka

Insbesondere in der ersten Hälfte stellte die Jahnelf das Zentrum zu und versuchte das Spiel des FC Magdeburgs auf die Flügel zu lenken, wie man es laut Mersad Selimbegovic auch gegen die größeren Gegner in der Liga angeht. Man wollte zwar laut dem Cheftrainer eine Balance finden, aber diese hat man in weiten Strecken der Partie nicht gefunden und überließ unter anderem Atik viele Freiheiten sowie Räume im Spielaufbau.

Auch das Pressingverhalten war ausbaufähig, da man auch in diesen Spielsituationen dem Gegner deutlich zu viel Raum für den Aufbau eines Spielzugs schenkte. Das Fehlen von Prince Owusu hat sich auf diese Situation ausgewirkt, da sein intensives, aber abwartendes Anlaufverhalten sich auf das Spiel des Jahns in der Rückbewegung positiv auswirkt und er somit den Gegner im Spielaufbau stören kann.

Magdeburg zeigte viele individuelle Fehler, welche aber der SSV Jahn aufgrund der oftmals großen Distanz zum gegnerischen Spielers nicht ausnutzen konnte. Man verhielt sich im Zweikampfverhalten oft passiv und zu abwartend, da man häufig erst reagierte, nachdem der Gegner schon mehrere Schritte gemacht hatte. Die kreativen Spieler der gegnerischen Offensive nutzten dieses Verhalten in einigen Aktionen aus und ließen die Verteidiger alt aussehen.

2. Die Rückkehr des Fehlerteufels

Zum alten Fieber gehört ehrlicherweise nicht nur der Jahnsinn, sondern auch das Einschleichen von Fehlern. Schon gegen St. Pauli verlor man die Partie durch ein Slapstick-Gegentor sowie einer fehlerbehafteten Chancenverwertung. Gegen den FCM fielen zwar die Treffer nicht primär aus Fehler, aber sie wären unter normalen Umständen nicht gefallen. An einem normalen Tag macht der eh schon überragende Urbig nicht den Schritt in die falsche Richtung und kann man das 1:2 ohne große Aufregung verteidigen, aber so nicht an diesem Tag…

In Kiel sowie gegen Paderborn konnte man durch eine solide, aber eben fehlerlose Leistung gewinnen und genau deswegen konnte man die Magdeburg-Partie nicht für sich entscheiden, da es eben kleine, aber am Ende entscheidende Inkorrektheiten gab.

Schon in der Hinrunde sah man oft im Grunde gute Spiele der Jahnelf, die dann durch Fehler verloren wurden. Und klar, Fehler sind menschlich, aber sie kosten am Ende des Tages Punkte und vielleicht sogar Spielklassen, aus welchem Grund man diese Sachen nun endlich minimieren sollte.

3. Glück im Unglück

Hat man jetzt zwei Punkte verloren oder einen gewonnen? – die oft gestellte Frage nach dem Spiel, die aber nach diesem Spielverlauf eigentlich einfach zu beantworten ist. Wer zweimal zurückkommt, der hat definitiv einen Punkt gewonnen, aber irgendwie bleibt ein fader Beigeschmack. Die Leistung in der ersten Hälfte war nicht akzeptabel, man war auf dem besten Wege, diese wichtige Partie einfach so herzuschenken, aber dafür war die zweite Hälfte umso aktiver.

Anfangs hatte man zwar Probleme, aber nach dem plötzlichen Ausgleich konnte man befreit aufspielen und wieder an sich glauben. Dies zeigt, dass diese Mannschaft Selbstvertrauen für Erfolg braucht, man braucht dieses „wir können es doch!“, damit man dem Gegner auf Augenhöhe begegnen kann. Es ist dennoch nicht vorteilhaft, wenn man ein Team erst immer aufwecken muss, damit es funktioniert, da bis dahin wichtige Minuten verloren gehen.

So hatte man doch irgendwie Glück im Unglück, denn man hätte ja sogar gewinnen können, aber das wäre wahrscheinlich zu viel des Guten gewesen. Die Jahnelf konnte trotz zwei Rückschlägen wieder aufstehen und in einer eigentlich aussichtslosen Lage noch einen Punkt holen, was Hoffnung macht!

Benotung der Jahnspieler

Jonas Urbig: 2,0 (beim Gegentor macht er den Schritt in die falsche Richtung, aber ansonsten rettete er den Punkt für den Jahn)

Leon Guwara: 2,0 (war solide im Zweikampfverhalten, dazu konnte er sich gut in den Spielaufbau integrieren)

Jan Elvedi: 3,0 (Passspiel war solide, aber Zweikampfverhalten ungewohnt unsauber)

Steve Breitkreuz: 2,0 (Spielaufbau war ausgezeichnet, dazu konnte er 90 % seiner Luftzweikämpfe gewinnen)

Benedikt Saller: 3,5 (machte eine solide Partie, allerdings ist für seine Rolle als Flügelverteidiger in der Offensive noch Luft nach oben und er geht häufig zu aggressiv in Zweikämpfe) – Konni Faber (84.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Blendi Idrizi: 3,5 (anhand seiner Laufwege erkennt man das Potenzial, aber sein Zweikampfverhalten und seine Entscheidungsfindung sind durchaus ausbaufähig) – Christian Viet (69.): 3,0 (machte seine Sache gut und konnte seine Aufgaben in der Defensive sowie im Spielaufbau erfüllen)

Bendikt Gimber: 3,5 (machte eine ausbaufähige Partie und zeigte ein unsicheres Zweikampfverhalten) – Babis Makridis (69.): 3,0 (die Bälle, die er bekommen hat, konnte er gut verarbeiten, allerdings blieb wenig Zeit für entscheidende Aktionen)

Sapreet Singh: 4,0 (verlor mehrmals entscheidende Zweikämpfe auf dem Flügel und konnte keine offensiven Akzente setzen)

Max Thalhammer: 3,0 (konnte mit seiner Stärke bei Zuspielen überzeugen, verlor aber einige Duelle gegen seine Gegner) – Minos Gouras (87.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Kaan Caliskaner: 3,0 (seine Laufwege und Dribblings geben Lust auf mehr, allerdings war seine Ballverarbeitung sowie seine Zweikämpfe mangelhaft)

Andreas Albers 4,0 (verlor mehrmals Luftzweikämpfe und enttäuschte bei der Ballverarbeitung sowie im Abschluss) – Aygün Yildirim (69.): 3,5 (zeigte einen unglücklichen Auftritt und verlor mehrmals den Ball)

Was sagst du dazu? – die Stimmen nach dem Spiel

Jonas Urbig über das Gegentor: „Ja, den hat er gut getroffen. Ich habe im ersten Moment mich bei der Flugkurve des Balles nach rechts bewegt, dann habe ich ihn nicht mehr erreicht. Ist ärgerlich, sowas passiert. Abhaken, weitermachen.“

Kaan Caliskaner über die Gemütslage: „Die Art und Weise, wie es zu diesem Unentschieden kommt, ist von den Toren her, also den Standardgegentoren, sehr bitter und unnötig. Gerade weil Magdeburg nicht größer ist als wir, auch wenn du das erste Gegentor nicht verteidigen kannst, haben wir wenigstens eine gute Moral bewiesen. Haben dann nochmal alles in der letzten Minute nach vorne geworfen, dann haben wir uns wenigstens in der Hinsicht mit einem Punkt belohnt.“

Andreas Albers über sein Tor: „Ja, das ist auch eine persönliche Erleichterung für mich, weil ich habe lange kein Tor mehr gemacht, dazu auch diese lange Winterpause. Es tut gut, da ist dieses Spiel auch ein guter Zeitpunkt. (…) für die die Mannschaft, für mich, für alle war es sehr, sehr gut.”

Maximilian Aichinger