Herzlichen Glückwunsch, wir sind noch nicht abgestiegen: Der Jahn steckt tief im Abstiegskampf

Meine erste Auswärtsfahrt und dann gleich akkreditiert, Wahnsinn! Die Gespräche über den Jahn begannen schon kurz nach der Abfahrt mit dem Bus, und viele meinten: „Wir müssen heute gewinnen!“. Stundenlang diskutieren wir über die aktuelle Situation, Mersad und bestimmte Spieler, bis wir irgendwann wieder zu dem Punkt kamen, wo niemand wusste, wie wir eigentlich in diese Situation gekommen sind. Ähnliches fragt sich wohl Nürnberg, die auf der Marktwert-Tabelle der 2. Bundesliga auf Platz 2 stehen und daher eigentlich um den Aufstieg mitspielen sollten. Aber auch in Franken will es einfach nicht laufen, und auch dort ist ein Sieg Pflicht. Nachdem wir in Nürnberg angekommen sind, möchte ich so schnell wie möglich zu meinem Platz, verlaufe mich mehrmals, ehe ich endlich angekommen bin und mir denke: „Es kann losgehen!“

Falls ihr das Spiel nicht sehen konntet:

1. Halbzeit
Foto: Gatzka


Mersad Selimbegovic musste nach der enttäuschenden Niederlage gegen Bielefeld reagieren und brachte Gouras, Caliskaner und Albers anstatt Yildirim, Mees und Owusu in die Startaufstellung. Man agierte in der realtaktischen Formation in einem 2-4-3-1 und versuchte durch die offensiven Außenverteidiger die Flügel vom Club zu überladen. Sapreet Singh und Minos Gouras agierten als hängende Spitzen. Beide spielten „um Albers herum“ und versuchten aus dem Schatten zu agieren.

Der Jahn spielte in den ersten Minuten eine unauffällige Partie und wurde nach 6 Minuten durch Castrop wachgerüttelt. Kaan Caliskaner hätte den SSV kurz danach fast in Führung gebracht, ehe der Abseitspfiff durch Aarne Aarnink folgte. Ansonsten fehlte der Offensivabteilung die letzte Zielstrebigkeit.

Trotz der sichtbaren Nervosität auf beiden Seiten konnte der Club in Minute 34 das erste Ausrufezeichen setzen, indem der auf Steilpässe lauernde Duah Jonas Urbig zu einer Glanzparade zwang. Dieser Angriff entstand durch die Offenheit auf der linken Seite, welche durch das hohe Schieben durch Leon Guwara und die zentrale Positionierung durch Sapreet Singh verursacht wurde.

Trotz leichter Überlegenheit durch die Heimmannschaft konnte Regensburg mehr oder weniger zufrieden sein, allerdings gab es nur einzelne offensive Akzente und Angriffe wurden meist ungenau ausgespielt, ehe man den Ball verlor.

2. Halbzeit

Der SSV Jahn kam mit Schwung aus der Kabine und hatte durch Gimber eine gute Möglichkeit, die allerdings neben das Tor ging (49.). Der Jahn lief an, bemühte sich und lauerte – doch Nürnberg machte den Treffer. Nachdem Nachreiner nach einer Ecke nur schwach geklärt hatte, konnte Enrico Valentini mit einem Sonntagsschuss zum 1:0 treffen (59.) und ließ die Regensburger Defensive alt aussehen. Irgendwie typisch für diese Saison, dass der Jahn zwar stets bemüht ist, aber der Gegner durch eine Fehlerkette profitiert und in Führung geht.

Selimbegovic brachte für die Schlussphase mit Yildirim, Vizinger, Idrizi, Günther und Mees einige frische Kräfte. Eine Veränderung im Spiel war dennoch nicht zu bemerken. Weiterhin kämpfte man, aber es fehlte letztendlich die Durchschlagskraft. Und so blieb es beim 0:1 aus der Sicht von Jahn Regensburg.

Sachen, die auffielen:

1. Ungenauigkeiten und Fehler


Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Spielzeit: Es sind Ungeschicklichkeiten und Fehlentscheidungen, die Woche für Woche Punkte kosten. Beim Gegentor stellt sich der SSV schusselig in der Verteidigung an, die Situation eigentlich vorbei, verteidigt aber kopflos. Der Schuss von Valentini trotzdem ein Traum. Auch gegen Darmstadt beim 0:1 und der Notbremse durch Kennedy oder auch gegen Bielefeld bei den Gegentoren passierten manchmal unerklärliche Dinge, wo man meint, dass dies einem Profifußballer nicht passieren darf.

Foto: Gatzka

Erst wird ein Pass ins Nichts gespielt, dann wird wieder eine Standardsituation weggeworfen und zwischendurch muss wieder jemand einen Einwurf ausführen, der nicht weiß, wohin mit dem runden Leder. All das passiert regelmäßig und kostet Spiele und Nerven.

Fehler sind normal, allerdings ist die Häufigkeit beim Jahn mehr als bedenklich und man muss sich berechtigterweise fragen, wieso man das nicht in der langen Winterpause optimieren konnte.

2. Offene Fragen – ungewisse Zukunft

Als Fan stellt man sich aktuell aufgrund der schwierigen Lage einige Fragen: Wie konnte diese Mannschaft vom Überflieger aus Liga 2 so harmlos in der Offensive und so fehleranfällig in der Defensive werden? Eine Antwort ist: Roger Stilz und die Scouting-Abteilung konnten nicht das favorisierte Spielermaterial verpflichten und daher konnte man die Abgänge nicht vollends ersetzen, was sich nun an der fehlenden individuellen Qualität widerspiegelt. Sind vielleicht wirklich zu viele Spieler im Kader, die nicht auf 2. Bundesliganiveau sind? Diese These wird durch die (mehrmalige) Nichtberücksichtigung von Stojanovic, Viet und Gouras gestützt.

Allerdings darf man auch die Trainerbank bei dieser Fehlersucht nicht außer Acht lassen. Wieso konnte man Fehler nicht abstellen? Warum wirkt die Mannschaft teilweise so machtlos gegenüber den Gegnern? Warum scheint die Mentalität so angekratzt? Weshalb scheitert die Mannschaft schon oft an den Basics wie Passspiel und Abschluss? Solche Punkte muss man doch als Trainer angehen – gerade in einer langen Winterpause wäre die Möglichkeit dazu gewesen.

Die Zukunft bleibt offen, aber ich bin mir trotz all jener Punkte aufgrund der Aussagen von Spieler und Trainer sicher, dass Mersad Selimbegovic im Amt bleibt.

3. Charakter und Mentalität sind Trumpf

Seit Monaten ist der SSV Jahn im Abwärtstrend, aber nach der Niederlage scheint der Tiefpunkt erreicht. Spieler, Staff, Fans und Führung können nicht zufrieden sein und jeder wird derzeit genervt sein, aber wir müssen gemeinsam nach vorne schauen! Wir sind noch nicht abgestiegen, noch haben wir es selber in der Hand. Wir müssen gerade in dieser schweren Phase einen unerschütterlichen Charakter und eine jahnsinnige Mentalität zeigen, und genau das vermisse ich gerade.

Man hat zunehmend das Gefühl, dass es eben Spieler gibt, die den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben und sich vor dem Kampf scheuen. Genau dieser Punkt führt dazu, dass Fans sich „verarscht“ fühlen, wenn man seinen ganzen Tag für seinen Verein opfert und dann maßlos enttäuscht wird.

Die Spieler müssen wieder aufwachen und sich klarmachen, dass diese Phase brutal wichtig ist und man nun irgendwie wieder positive Erfolge einsammeln muss.

Benotung der Jahnspieler

Startaufstellung:

Jonas Urbig: 2,0 (einige auffällige Aktionen und starke Paraden)

Leon Guwara: 4,0 (gefährdete die Stabilität durch zu hohes schieben und war eher unauffällig) – Lasse Günther (82.): / (aufgrund zu später Einwechselung keine Benotung)

Jan Elvedi: 2,5 (Spielaufbau und Zweikampfführung waren solide, dazu viele Klärungsaktionen)

Wastl Nachreiner: 4,5 (machte eine unglückliche Figur beim Gegentor und bei Zweikämpfen)

Konrad Faber: 3,5 (zeigte eine kämpferische Leistung, jedoch fehlte in der Offensive die letzte Durchschlagskraft)

Maxi Thalhammer: 3,5 (war der Dreh- und Angelpunkt im zentralen Mittelfeld, allerdings zeigt er Schwächen im Umschaltspiel)

Bendikt Gimber: 4,5 (sein Passspiel war ausbaufähig und in Zweikämpfen sah er mehrmals schlecht aus) – Aygün Yildirim (71.): 4,5 (machte ein unauffälliges Spiel und konnte keine Akzente setzen)

Sapreet Singh: 5,0 (ging in wenige Dribblings, verlor mehrmals den Ball und stand zweimal im Abseits) – Dario Vizinger (71.): 4,5 (machte ebenfalls ein unauffälliges Spiel und konnte keine Akzente setzen)

Kaan Caliskaner: 4,0 (konnte seine offensive Klasse nicht auf das Feld bringen und spielte insgesamt mittelmäßige Pässe) – Blendi Idrizi (71.): 4,5 (verlor wichtige Zweikämpfe und wirkt kampflos)

Minos Gouras: 4,5 (verlor mehrmals den Ball, zeigte ein schwaches Verhalten bei Zweikämpfen, dennoch geben seine Laufwege Hoffnung für die Zukunft) – Joshua Mees (82.): / (aufgrund zu später Einwechselung keine Benotung)

Andreas Albers: 5,0 (spielte ein unauffälliges Spiel, wies Defizite bei der Ballverarbeitung auf und war schwach im Abschluss)

Die Stimmen nach dem Spiel

Konrad Faber über die Niederlage: „Es war wieder ein enges Spiel, war ein umkämpftes Spiel. Aber am Ende haben
wir es dann wieder nicht geschafft, einen Punkt oder drei Punkte mitzunehmen. Durch die
nötige Entschlossenheit hat es dann einfach wieder ein paar Prozentpunkte überall in
allen Mannschaftsteilen gefehlt und dass dann eben am Ende, was ein Zweitligaspiel
ausmacht, ob du hier heimfährst und frustriert bist oder ob du drei Punkte mit nach
Hause nimmst.“

Wastl Nachreiner über die kommenden Wochen: „Da ist halt natürlich der Frust groß. Aber ja, wir
müssen alle miteinander die Arschbacken zusammen kneifen, jetzt
regenerieren und dann wieder mit Vollgas in die neue Trainingswoche. Und vom
Engagement noch mehr, noch kämpferischer und irgendwie mit aller Gewalt in die nächste Woche stoßen.“

Wastl Nachreiner über den Abgang von Sebastian Dreier: „Ja, ist klar. Basti war jetzt zwei, drei Jahre da, wichtiges Mitglied der
Mannschaft und das ist immer schade, wenn sich da dann jemand leider verabschieden
muss. Aber auch das ist leider im Fußball, gerade im Profifußball glaube ich immer
wieder der Fall, dass da Personalwechsel da sind. Und das muss man dann so schnell
wie möglich, muss mal damit umgehen und alle Störgeräusche ganz einfach
ausblenden. Am Ende geht es darum, das unter der Woche konzentriert zu arbeiten,
dass am Wochenende dann die Leistung passt.“

Benedikt Gimber über den Fall in die Abstiegsränge: „Wenn man auf den letzten beiden Plätzen steht, dann macht das natürlich immer was mit einem. Oder hoffe ich zumindest, dass mit jedem macht. Dessen sollte man sich bewusst sein, dass man sich von den Rängen fernhalten sollte. Das ist uns nicht gelungen. Und jetzt gilt es einfach, sich da rauszuarbeiten. Es war ein schwerer Weg, aber es gibt keine Alternative, dass wir das mit Optimismus angehen und dann in der Zuversicht, dass man es schaffen kann.“

Benedikt Gimber über Mersad Selimbegovic: „Er steckt da auf jeden Fall ein ganzes Herzblut und
Leidenschaft mit rein und will die Situation unbedingt umkehren mit uns. Und das muss auch das Ziel sein für die nächsten Wochen.“

Maximilian Aichinger