Das Pokalspiel in der Taktik-Analyse

Der Jahn geht früh in Führung, trifft nach zehn Minuten erneut – und kassiert dennoch zwei verhinderbare Gegentore. Über den technisch-starken Maina kommt Köln in der Verlängerung ins Rollen, verliert aber nach einer mangelhaften Chancenverwertung im Elfmeterschießen und scheidet somit im DFB-Pokal aus.

Foto: Gatzka

Der Jahn geht früh in Führung, trifft nach zehn Minuten erneut – und kassiert dennoch zwei verhinderbare Gegentore. In der Verlängerung kommt Köln ins Rollen, verliert aber nach einer mangelhaften Chancenverwertung im Elfmeterschießen und scheidet somit im DFB-Pokal aus.

Die beiden Trainer überraschten mit ihrer jeweiligen Personalwahl am Samstag nicht. Bei Regensburg stellte sich vor allem die Frage, ob die verletzungsbedingt ausgewechselten Nicklas Shipnoski und Maxi Thalhammer zum Einsatz kommen würden. Nach mehreren Gesprächen entschied sich Mersad Selimbegovic, dass beide Leistungsträger für das Pokal-Duell auf dem Platz stehen können. Die jeweiligen Ersatzspieler Aygün Yildirm und Minos Gouras mussten also zunächst auf der Bank Platz nehmen.

Beim 1. FC Köln musste Steffen Baumgart einzig auf Dimitris Limnios aufgrund einer Verletzung verzichten. Dennoch ließ Baumgart einige Spieler am Geißbockheim, da sie einen Trainingsrückstand aufweisen, darunter bekannte Gesichter wie beispielsweise Steffen Tigges, Ondrej Duda oder Sebastian Andersson.

Diese Ansage an bestimmte Spieler zeigt auf, welche Ansprüche Baumgart hat: Er möchte intensiven und laufstarken Fußball spielen lassen. Diese Marschroute gab er auch gegen den Jahn vor, so spielte Köln ein schnelles Umschaltspiel gegen lauernde Regensburger.

Guwara & Mees als Heilsbringer

Die Linksverteidigung ist wahrlich nicht eine Position, wo man Spiele entscheiden kann, doch man kann dazu beitragen, so auch Leon Guwara gegen den 1. FC Köln. Für viele Zuschauer stand Guwara wahrscheinlich deutlich zu offensiv, doch diese Spielweise war wohl ein taktischer Kniff von Mersad Selimbegovic. Guwara hat mit seinen weiten Läufen an der Grundlinie den Kölner Außenverteidiger Benno Schmitz an sich gebunden und somit Räume für Joshua Mees erzeugt. Timo Hübers hat im Laufe der Partie des Öfteren den Zweikampf mit Mees suchen müssen, deswegen haben sich Räume im Zentrum geöffnet, und es entstand eine Überzahlsituation für den Jahn. Durch diese Überladung entstand unter anderem das 1:0 für die Jahnelf, somit war diese Anweisung der Dosenöffner für den Pokal-Erfolg.

Hohe Außenverteidigung: Notwendigkeit und Risiko

Die Außenverteidigung ist ein essenzieller Bestandteil des Spiels von Selimbegovic (siehe oben), dennoch birgt diese Taktik auch einige Risiken mit sich. Die Außenverteidiger sollen das Offensivspiel kollektiv unterstützen und hochstehen, primär Leon Guwara. Das Risiko einer hohen Außenverteidigung ist hauptsächlich die Anfälligkeit nach Ballverlusten, so müssen die äußeren Verteidiger als Schienenspieler agieren und immer zwischen Verteidigung, Mittelfeld und Sturm pendeln. Das Tor durch Ljubicic zum 2:2 entstand durch eine weit aufgerückte und konter-anfällige Verteidigung.

Foto: Gatzka

Ungewohnte Position, neue Chancen: Albers lässt sich vermehrt zurückfallen

Andreas Albers war in den letzten Jahren der „goal getter“ beim Jahn, doch nun bekommt Albers eine andere Rolle zugeschrieben, erzielt aber dennoch Tore wie am Fließband. Während Prince Owusu als Stoßstürmer agiert, so lässt sich Albers bei gegnerischen Aktionen zurückfallen und versucht, eine Verbindung zwischen Sturm und Mittelfeld herzustellen. Albers agiert als Schattenstürmer und strahlt durch seine tiefen Läufe in den Strafraum viel Torgefahr aus, unterstützt aber dennoch das Mittelfeld. Diese Rolle ist sehr schwer zu verteidigen, da er, wie der Name schon sagt, aus dem Schatten seines Vordermanns kommt. Im Spiel gegen den FC agierte der Schattenstürmer im Raum zwischen der Kölner Innenverteidigung und dem defensiven Mittelfeldspieler Ellyes Skhiri, ließ sich aber teilweise sogar bis in die Regensburger Hintermannschaft zurückfallen.

Thalhammer als “deeplying-playmaker” (tiefstehender Spielmacher) und absichernder Sechser

Maximilian Thalhammer kam als Neuzugang zurück in das Jahnstadion, schon während seiner einjährigen Leihe in der Saison 17/18 hatte er einen bleibenden Eindruck hinterlassen, demnach wurde seine Rückkehr auch im Fanlager sehr begrüßt. Thalhammer hat sich in den letzten Jahren sehr fortentwickelt und dominiert mit seinen 25-Jahren schon das Mittelfeld in Regensburg. Er und Bene Gimber bilden ein starkes Duo dar und ergänzen sich perfekt, während Gimber insbesondere durch seine Stärke im Zweikampf glänzt, so kommt Thalhammer vor allem durch seine sehr guten technischen Fähigkeiten. Der Neuzugang ist ständig anspielbar und trägt eine entscheidende Rolle im Spielaufbau vom Jahn. Auch im Spiel gegen Köln konnte Thalhammer ein Tor auflegen. Steffen Baumgart hat wohl diese Stärken erkannt und Dejan Ljubicic angewiesen, dass er sich an Thalhammer klammern soll, damit sich dieser nicht entfalten kann, dennoch setzte er wichtige Impulse im Spielaufbau der Jahnelf.

Abwehrverhalten nach dem Ausgleich

Nach dem Ausgleich wurde das Spiel zu einem Kampf. Es gab deutlich mehr Fouls als davor, und auch das Verhalten in der Abwehr wurde zunehmend von Nervosität geprägt. Der Jahn hat 50 % mehr Klärungsaktionen innerhalb von 120 Minuten vollzogen als der 1. FC Köln, das unterstreicht den Druck, unter dem der Jahn nach dem Ausgleich gestanden ist. Der Jahn hat in dieser schwierigen Phase insbesondere auf das Abwehrpressing gesetzt. Bei dieser besonderen Art von Pressing wird der angreifenden Mannschaft Zeit gegeben, um einen Angriff zu entwickeln, damit man sie “herauslockt”, um möglicherweise bei einem Ballverlust einen Konter fahren zu können. Diese taktische Komponente hat vor allem in der 2. Hälfte der Verlängerung gut funktioniert, deswegen konnte man sogar mittels Konter teilweise offensive Akzente setzen.

Fazit

Nicht erst dieses Spiel zeigte, welches Potenzial im SSV Jahn steckt. Die Jahnelf erwischte einen perfekten Start in die Partie, aber der FC zeigte nach dem misslungenen Start seine Qualität. Die „Geißböcke“ bauten einen enormen Druck auf und brachten sehr viel Intensität in das Spiel. Das Spielkonzept, das Selimbegovic sich vorstellt, scheint gut zu seiner Mannschaft zu passen, da gebührt auch Roger Stilz ein Lob. Dennoch hatte der SSV über weite Strecken Glück, da sie von einer schlechten Chancenverwertung des Gegners profitiert haben. Dass Guwara beispielsweise in der Entstehung des 1:0 schnell reagierte, nachdem Mees mit dem Kopf ablegen konnte und einen guten Laufweg angebracht hatte, stellte nun wiederum keinen Zufall dar, sondern resultierte aus Erarbeitung seitens der Regensburger – als gewissermaßen notwendige Basis für den Erfolg in diesem Spiel. Dieses Spiel zeigt, dass sich die Jahnelf nicht verstecken sollte und durchaus im Ligabetrieb ein Wörtchen mitreden kann, dennoch sollte man am Boden bleiben. In der 2. Liga ist jedes Spiel eine Standortbestimmung, die nächste ist der Club aus Nürnberg.